Interviews

Die Generaldirektorin und Vorstandsvorsitzende der VIG, Elisabeth Stadler, im ABW-Interview zur aktuellen Lage der Versicherungsbranche.

 

 Wie gut ist die VIG für diese wirtschaftlich nicht gerade einfache Zeit gerüstet?

Die Covid-19 Pandemie bringt uns eine weltweit wirtschaftliche Ausnahmesituation, die natürlich auch an uns nicht spurlos vorüber geht. Insbesondere sind wir von den Kapitalmarktentwicklungen betroffen. Daher beobachten wir die laufende Entwicklung der Kapitalmärkte sehr genau. Wir sind jedoch zuversichtlich, die Auswirkungen der Corona-Krise so gut wie möglich zu bewältigen. Denn wir haben eine solide Kapitalstärke und ein sehr gutes Jahr 2019 mit Topergebnissen vorzuweisen. Eine starke Bilanz und eine umsichtige Rechnungslegung bilden gerade in Zeiten wie diesen ein belastbares Fundament. Als dritte Stärke sehe ich unser Managementprogramm Agenda 2020 mit Fokus auf Effizienzsteigerung und der Forcierung der digitalen Transformation der Gruppe. Wir haben 2017 mit dem Programm begonnen und führen die gesetzten Maßnahmen auch während der Corona-Krise konsequent weiter.

Welche kurz-, mittel- und langfristigen Pläne gibt es?

Da steht im Fokus die bereits erwähnte Agenda 2020, die in erster Linie dazu dient, unsere Profitabilität und Zukunftsfähigkeit weiter zu steigern. Darin enthalten sind auch Chancen, Wachstumspotentiale zu nutzen, die wir zum Beispiel in der Krankenversicherung, dem Bankversicherungsvertrieb, im Firmenkundengeschäft, im Ausbau des Rückversicherungsgeschäfts und in profitablen Akquisitionen sehen. Wir arbeiten bereits an einem Folgeprogramm bis 2025. Als langfristiges Ziel gilt weiterhin, unsere Marktführerschaft in Österreich und CEE zu erhalten und auszubauen.    

Die Generaldirektorin der Vienna Insurance Group AG im ABW-Interview über die Folgen der Corona-Krise, ihren Arbeitsalltag im Home Office und die Arbeit der Regierung.


Welche Folgen hatte der Lockdown für die VIG? 

Er hat uns eine weltweit wirtschaftliche Ausnahmesituation gebracht, die natürlich auch an uns nicht spurlos vorüber geht. Sozusagen von einem Tag auf den anderen haben wir Tausende Mitarbeiter ins Home Office geschickt, die operativen Versicherungsgesellschaften haben die Kundenbüros geschlossen, kein Berater konnte persönlichen Kundenkontakt aufnehmen.

Aber es hat sehr gut funktioniert, wir waren alle miteinander nicht im physischen, aber digitalen Kontakt und konnten den Geschäftsbetrieb ohne Probleme aufrechterhalten. Wir verzeichneten in den ersten Wochen erwartungsgemäß einen Rückgang im Neugeschäft, andererseits wurden vermehrt Versicherungen online abgeschlossen. Das zeigt, dass sich unsere umfangreichen Digitalisierungsaktivitäten bezahlt machen.   


In welchen Bereichen sehen Sie die größten Herausforderungen für die Versicherungsbranche?

Wir sind in einer Situation, die im engeren Sinne keine Finanzkrise darstellt, sondern eine Krise der Realwirtschaft, welche Auswirkungen auf die Finanzwirtschaft und damit auch auf die Versicherungen mit sich bringt. Die wirtschaftlichen Unsicherheiten wirken sich auf die Kapitalmärkte aus und somit auf unsere Veranlagungen. Wir haben begonnen, unsere Kapitalanlagen so zu kategorisieren, dass wir realwirtschaftliche Auswirkungen auf unser Portfolio in Teilportfolios abschätzen können. Zu Gute kommt uns eine solide Kapitalstärke, eine sehr starke Bilanz 2109 und sehr erfolgreiche Vorjahre. Wir sind daher zuversichtlich, diese Ausnahmesituation so gut wie möglich zu bewältigen. 

Prof. Elisabeth Stadler, Generaldirektorin der Vienna Insurance Group, ist die erste Frau, die es vor etwas mehr als zwei Jahren an die Spitze eines ATX-Unternehmens geschafft hat.

 

Austrian Business Woman erklärte die Spitzenmanagerin, wie sie eine knapp 200 Jahre alte Versicherungsgruppe in das digitale Zeitalter führt.

Stichwort Digitalisierung – welche Veränderungen bringt diese mit sich?

Sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens werden sich im Zuge der Digitalisierung grundlegend verändern. Das stellt auch Versicherungen vor großen Herausforderungen: Durch „Smart Home“ und die Steuerung der Risiken durch computergenerierte Systeme wird sich beispielsweise das Haushaltsversicherungsrisiko verändern.

Durch selbstfahrende Autos werden weniger Unfälle erwartet. Durch Cyberkriminalität oder Drohnen werden wir uns intensiver mit neuen Geschäftsfelder beschäftigen müssen. Daraus ergeben sich veränderte Risikofaktoren und neue Prämienkalkulationen.

Seit vier Monaten ist Elisabeth Stadler Generaldirektorin der Donau Versicherung. Sie führt ein Unternehmen mit rund 1.400 Mitarbeitern.

 

Was sind die Stärken der Donau Versicherung?
Die Donau Versicherung existiert seit  knapp 148 Jahren und steht für eine traditionsreiche und erfolgreiche Entwicklung. Eine unserer großen Stärken ist die intensive regionale Verankerung. Österreichweit sind über 1.400 Mitarbeiter in unseren neun Landesdirektionen und Geschäftsstellen tätig. Unser regionaler Fokus heißt auch sehr kundenorientierte Beratung und gute persönliche Kundenbeziehungen zu den knapp 900.000 Kunden.

Was können sie den Versicherten bieten?

Unser Slogan lautet „flexibel wie das Leben“, das trifft nicht nur auf Produkte und Beratung zu, sondern auch ganz spezifisch auf die Mitarbeiter und unsere Unternehmenskultur. Die Donau Mitarbeiter zeichnet eine sehr ausgeprägte Teamkultur und Kundenorientiertheit aus. Ein Vorteil ist unser breites Produktangebot. Wir bieten alle Sparten an, sprich wir können die Kunden umfangreich gegen alle Risiken sowohl privat als auch gewerblich absichern.

Was sind ihre Ziele für 2015 fürs Unternehmen?
Das gesamte vierköpfige Vorstandsteam ist neu und wurde erst im September 2014 formiert. Wir alle sind sehr motiviert und haben viel vor. Für 2015 gilt es eine neue Positionierungsstrategie für die Donau Versicherung festzulegen. Wir wollen an unserem Profil arbeiten. Wofür steht die Donau, was haben die Kunden für Vorteile, wenn sie bei uns versichert sind. Da wurden Stärken bisher zu wenig nach außen betont.    

Was war für sie das Highlight im Jahr 2014?

Persönlich sicher der Wechsel von der Führungsspitze der ERGO zur Donau. So einen Schritt überlegt man sich gut. Andererseits war der Anreiz für mich sehr groß, einem so traditionsreichen Unternehmen, inmitten der größten Versicherungsgruppe Österreichs als Generaldirektorin anzugehören.   

Wie erging es ihnen seit ihrem Wechsel?

Ich bin von meinem jungen Vorstandsteam und allen Kolleginnen und Kollegen sehr nett aufgenommen worden. Das ist schon einmal eine wichtige Basis, um sich den neuen Herausforderungen sehr motiviert stellen zu können. Derzeit sind meine Arbeitstage sehr intensiv, da wir natürlich extrem viele Ideen haben und möglichst rasch konkrete Konzepte erarbeiten und umsetzen wollen. Ich freue mich auf die ersten Erfolge.  

Sie sind seit über 30 Jahren in der Branche tätig: Ist es für sie immer noch spannend und warum?

Ich habe mein ganzes Berufsleben der Versicherungsbranche gewidmet und keinen Tag davon bereut. Versicherungen leisten eine sehr wichtige und sinnvolle Aufgabe, nämlich Menschen durch finanzielle Absicherung vor existenzgefährdenden Risiken zu schützen. Das kann gar nicht uninteressant werden. Denn in all den  Jahren galt und gilt es weiterhin die Produkte und Leistungen an die sich ändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Parameter anzupassen.    

Warum versuchen Versicherungen - auch die Donau - Frauen als Mitarbeiterinnen zu gewinnen?

Wir sind derzeit generell auf der Suche nach qualifizierten Beraterinnen aber auch Beratern im Außendienst. Der persönliche Kontakt zum Kunden hat für uns immer noch Priorität.  Gerade wenn es um so komplexe und vertrauliche Themen wie Finanzen geht. Wir würden uns mehr Frauen in der Beratung wünschen, weil Frauen im Vergleich zu Männern als einfühlsamer gelten und besser auf den Kunden eingehen können. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung für die Versicherungsberatung. Denn die Zeiten, wo der Verkauf im Vordergrund stand, sind längst vorbei. Heute zählt in erster Linie, genau den individuellen Bedarf der Kunden im Gespräch zu eruieren und dazu dann die passenden Produkte anzubieten.   

Welche Bedeutung haben Versicherungen in der Wirtschaft?

Volkswirtschaftlich haben Versicherungen einen sehr hohen Stellenwert. Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe keine Versicherungen und tausende Schäden wie das abgebrannte Haus, der Autounfall mit Leistungsforderungen von Schwerverletzten in Millionenhöhe, das unerwartete Ableben eines mehrfachen Familienvaters, die drohende Insolvenz des Unternehmens wegen unerwartet langer Betriebsunterbrechung, dann müssten diese von den Betroffenen aus der eigenen Tasche bzw. den Ersparnissen gedeckt werden. Das wäre für die meisten Betroffenen allein nicht finanzierbar und volkswirtschaftlich kritisch. Das Risiko eines Einzelnen auf eine größere Gefahrengemeinschaft zu übertragen und dafür Prämie zu bezahlen, ist seit Jahrhunderten ein bewährtes System. Versicherungen sind außerdem einer der größten Arbeitgeber und Investoren des Landes.    

Vor welchen Herausforderungen steht die Versicherungsbranche?

Ich sehe da fünf Punkte. Erstens die allgemeine wirtschaftliche Herausforderung.  Die anhaltend schwache Konjunktur  lässt die Menschen genauer überlegen, wo und wie sie investieren. Wir sind aufgefordert, noch intensiver den Menschen die Notwendigkeit privater Absicherung und deren Sicherheit zu verdeutlichen. Die uns anvertrauten Gelder sind durch sehr strenge gesetzliche Regelungen gesichert. Zweitens branchenspezifisch, da wir schon derzeit eine  hohe Versicherungsdichte  haben und somit in einem intensiven Wettbewerb untereinander stehen. Potential gibt es ganz klar noch in der Lebens- und Unfallversicherung sowie in der Gewerbeversicherung. Die heimischen Unternehmen sind nach unseren Erkenntnissen nicht ausreichend abgesichert. Drittens die technischen Anforderungen. Die Serviceerwartungen der Kunden und Partner steigen durch die moderne Kommunikationstechnologie stetig. Viertens die sehr ressourcenaufwendigen regulativen Änderungen wie Solvency II zur Berechnung der Eigenkapitalausstattung, Änderungen im Versicherungsvertragsgesetz usw.. Fünftens  zwingt uns die Niedrigzinspolitik unsere Kostenstrukturen zu überprüfen und neue Produktvarianten in der Lebensversicherung zu überlegen. Die Donau Versicherung bietet bereits seit Frühjahr 2013 mit dem Smart Garant eine Lebensversicherung ohne Garantiezins, dafür mit 100%iger Bruttoprämiengarantie an.

Hat die klassische Lebensversicherung demnächst ausgedient?

Keineswegs, wir werden auch weiterhin die klassische Variante mit Garantiezins anbieten. Wichtig ist die Abdeckung der biometrischen Risiken stärker hervorzuheben, sprich zum Beispiel eine lebenslange Rente zahlen zu können und diese Jahrzehnte im Voraus berechnen zu können. Risikoabsicherung ist die Quintessenz der Lebensversicherung, nicht die Erzielung einer möglichst hohen Rendite. Das stand leider in den Phasen der Hochkonjunktur im Vordergrund. Unternehmen mit hoher Risikotragfähigkeit wie es auch die Donau Versicherung  ist, werden auch in Zukunft weiterhin Garantien geben können.

Wie erklären Sie sich den medialen Abgesang auf die Lebensversicherung?

Weil wir gewohnt sind in Renditen zu denken statt in Risikoabsicherungen. Natürlich sind die Renditen in der Lebensversicherung derzeit nicht üppig. Aber niemand bringt zur Sprache, dass wir früher Renditen von sechs oder sieben Prozent hatten, dafür aber Teuerungsraten von fünf und sechs Prozent. Jetzt haben wir eine Inflationsrate unter 2 % und stehen bei  3,25 % Gesamtverzinsung für die klassische Lebensversicherung, davon sind ab 2015 1,5 % garantiert. Und was es zusätzlich zu betonen gilt: Die von uns veranlagten Kundengelder sind Sondervermögen in eigenen Deckungsstöcken veranlagt und würden im Extremfall eines Konkurses nicht in die Konkursmasse fallen. Der Deckungsstock muss überdies nach strengen gesetzlichen Regeln und Bestimmungen extrem risikoarm veranlagt werden. Diese besonderen Sicherheiten die nur wir Versicherungen bieten, sollten auch berücksichtigt werden, wenn über die Attraktivität von Lebensversicherungen diskutiert wird.

Ich nehme an, Sie haben selbst auch mit einer Lebensversicherung vorgesorgt?

Natürlich und zwar reichlich. Ich wäre eine schlechte Kauffrau, würde ich meine Ware nicht selbst schätzen und kaufen. Ich bin da sicher kein Maßstab für die Allgemeinheit, denn ich besitze eine breite Palette von Lebensversicherungen, von klassisch und staatlich gefördert bis hin zur fonds- und indexgebundenen. Ich bin grundsätzlich in der Veranlagung meines Geldes sehr konservativ unterwegs und da passen Lebensversicherungen perfekt ins Portefeuille.
 
Foto: VIG

 

Der Travel Industry Club Austria, eine Initiative zur Förderung der Tourismusforschung und -entwicklung in Österreich, mit weiblicher Verstärkung im Vorstand.

 

Mag. Jasmin Soravia ist kaufmännische Geschäftsführerin der SORAVIA Tochter SoReal GmbH mit Spezialisierung auf Immobilienprojektentwicklung und in dieser Funktion seit 2015 für die großen Bauvorhaben der SORAVIA in Österreich – darunter TrIIIple, Danube Flats, Austro Tower und THE BRICK – sowie für zwei Projekte in Deutschland verantwortlich. Von 2000 bis 2006 war sie in der SORAVIA bereits Leiterin des Bereichs Steuern, Recht und Rechnungswesen und danach bei der STRABAG AG für den Bereich Asset Management Real Estate zuständig. Zuletzt verantwortete sie bei der Conwert SE das operative Immobiliengeschäft in Österreich und CEE. Jasmin Soravia hat seit Anfang 2019 den Vorsitz des Urban Land Institut Austria übernommen, eine internationale non profit Forschungs- und Bildungseinrichtung, die sich mit nachhaltiger Stadtentwicklung beschäftigt. Mit 4. Februar 2020 wurde Fr Soravia in den Vorstand des Travel Industry Club gewählt.

Der Travel Industry Club Austria ist eine Initiative zur Förderung der Tourismusforschung und -entwicklung in Österreich. In den vergangenen sechs Jahren hat der Wirtschaftsclub eine Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis geschaffen. Nachhaltige Entwicklung in der Stadt und auf dem Land sind uns dabei ein wichtiges Anliegen. Der restliche Vorstand, Harald Hafner (Präsident), Peter Peer (Vizepräsident), Angela Pengl Böhm , Frans Jan Soede sowie Dr. Helmut Zolles und KR Gottfried Rieck unterstützen Mag. Jasmin Soravia bei ihren Bemühungen.

Foto: Soravia

ABW im Gespräch mit der Vorständin der Oesterreichische Kontrollbank AG (OeKB) über besondere Herausforderungen in schwierigen Zeiten. 

 

Welche kurz-, mittel- und langfristigen Pläne hat die OeKB in dieser schwierigen Zeit? 

Kurz- und mittelfristig steht für uns im Vordergrund, unsere Mitarbeitenden und Kunden gut durch die Krise zu begleiten. Das betrifft einerseits den Schutz der körperlichen Gesundheit. Andererseits kümmern wir uns um die wirtschaftliche Gesundheit unserer Exportkunden, indem wir mit der raschen, kompetenten Abwicklung der COVID- Hilfspakete für sie da sind. Langfristig steht die weitere Entwicklung neuer, nachhaltiger Produkte und Services auf dem Plan.  

Wie gut ist die OeKB gerüstet, wenn der globale wirtschaftliche Aufschwung längerfristig stagniert und Kreditausfälle zu befürchten sind? 

Für solche Fälle haben wir entsprechend Vorsorge getroffen. Wir sehen uns laufend verschiedene Szenarien an. Als Auftragnehmer der Republik Österreich tragen wir besondere Verantwortung für die Wirtschaft und die Gesellschaft. Dieser Verantwortung sind wir uns jederzeit bewusst. Mit Krisenbeginn haben wir unseren Exporteuren sofort mit Finanzierungsmöglichkeiten unter die Arme gegriffen. Weniger sichtbar im Hintergrund haben unsere Kapitalmarkt Services aber eine wesentliche Funktion übernommen, um die Stabilität des Kapitalmarkts auch in dieser turbulenten Zeit zu garantieren. Das ist uns sehr gut gelungen.  

Vor mehr als zwanzig Jahren kam die Betriebswirtin zur Kontrollbank, seit 2014 ist sie Vorstand. Ein ABW-Interview über Herausforderungen, Entwicklungen und Frauen in Führungspositionen.

 

In welchen Bereichen sehen Sie zur Zeit die größten Herausforderungen für die Finanzbranche?
Die Herausforderung unserer Zeit ist die Digitalisierung. Geschäftsmodelle verändern sich dadurch genauso wie Kundenbedürfnisse. Für uns ist es wichtig, genau den Bedarf unserer Kunden zu treffen. Dazu gehört die Einbindung von Kunden und Stakeholdern in unsere Produktentwicklung. Für uns derzeit ein großes Thema.

Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Geschäftsjahr?
Wir sehen eine starke Entwicklung. Bisher verläuft alles nach Plan bzw. sogar darüber. Wir profitieren von der guten Wirtschaftslage der Vorjahre und den zahlreichen Aufträgen, die österreichische Unternehmen erhalten haben.

Die Vorständin der Oesterreichischen Kontrollbank AG über das vergangene Geschäftsjahr, neue Produkte und wie es gelingt, operativ erfolgreich zu bleiben.

 

Die OeKB Gruppe konnte aufgrund der breiten Diversifizierung und dem hohe Engagement der Mitarbeitenden auch im herausfordernden Geschäftsjahr 2022, in dem der Ukraine-Krieg nach der Corona-Krise innerhalb kürzester Zeit einen weiteren tiefgreifenden Umbruch markiert hat, ein operativ zufriedenstellendes Ergebnis erzielen. „Das Gesamtergebnis war durch Bewertungsverluste leicht rückläufig – die Kursentwicklung auf den Kapitalmärkten ist auch an uns nicht ganz spurlos vorbeigegangen“, sagt Angelika Sommer-Hemetsberger.

Kompetenzerweiterung im Sustainable Finance-Bereich

Auch in der OeKB ist die digitale Transformation von besonderer Bedeutung. Die Potenziale bestehender Wertschöpfungsketten werden gehoben, die Markt- und Kundenzugänge werden kontinuierlich digital ausgebaut. „Wir haben im letzten Jahr das bestehende Cloudkonzept erweitert und eine modulare OeKB private Cloud aufgebaut. Ein weiterer Fokus ist der Ausbau unseres Kompetenzspektrums im Bereich Sustainable Finance. Wir setzten im Geschäftsbereich Export Services schon seit 2019 gezielte Anreize für Investitionen zur Umweltentlastung und haben auch schon drei Nachhaltigkeitsanleihen begeben, deren Emissionserlöse zur Gänze in Umwelt- und Sozialprojekte fließen. Mit dem OeKB > ESG Data Hub haben wir 2022 ein neues Produkt lanciert: Auf dieser zentralen Online-Plattforum können Unternehmen ihre relevanten Nachhaltigkeitsdaten gemäß den regulatorischen und bankenspezifischen Anforderungen einfach und effizient sammeln und managen. Und durch eine strukturierte Übersicht ihrer ESG-Performance erhalten sie damit auch die notwendige Grundlage, um die nächsten Schritte in Richtung Nachhaltigkeit einleiten zu können“, so die Managerin, die – angesprochen auf ihre wichtigsten Herausforderungen – die sich rasch ändernde und zunehmende Regulatorik – darunter beispielweise die Corporate Sustainability Reporting Directive oder auch der Digital Operational Resilience Act – erwähnt.

Diese Bereiche würden einiges an Ressourcen benötigen. Gleichzeitig gelte es, trotzdem effizient zu bleiben und die bestmöglichen Services für die Kunden anzubieten. „Die Anforderungen an die gesamte Organisation nehmen zu und bedeuten einen beträchtlichen zusätzlichen Aufwand. Hier gilt es, am Ball zu bleiben und weiterhin die Effizienz im laufenden Bankbetrieb sicherzustellen“, so Sommer-Hemetsberger. Die Kostensteigerungen durch die hohe Inflation und der vielzitierte Arbeitskräftemangel seien zudem allgemeine Herausforderungen, mit denen auch die OeKB konfrontiert sei. 

Gezielter Einsatz von Digitalisierungslösungen

„Wir profitieren in unserem Arbeitsalltag in vielen Bereichen vom hohen Digitalisierungsgrad innerhalb der OeKB – und es ist dabei ganz zentral, dass wir durch den gezielten Einsatz von Digitalisierungslösungen auch die Services und Dienstleistungen für unsere Kundinnen und Kunden kontinuierlich weiter optimieren können“, betont die Finanzexpertin. Ein Beispiel dafür seien User-Guides auf der Kundenplattform my.oekb.at, die zeitunabhängig genutzt werden können und womit dem IT-Helpdesk noch mehr Zeit für komplexere Anfragen bleibe. Was das Stichwort KI angeht, evaluiere man selbstverständlich laufend neue Lösungen und Trends am Markt, ein konkreter Business Case habe sich bisher aber noch nicht ergeben.

Ambitionierte Nachhaltigkeitsziele

Das Thema Nachhaltigkeit ist bei der OeKB seit vielen Jahren fest in den Kernprozessen verankert, in der Nachhaltigkeitsstrategie (Bereiche Kerngeschäft, Mitarbeitende und Bankbetrieb) setzt man sich ambitionierte Ziele für die Jahre 2021-2025.

„Neben Nachhaltigkeitsanleihen, deren Erlöse ausschließlich in Umwelt- und Sozialprojekte fließen, setzen wir mit attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten auch gezielte Anreize für Unternehmen, die am Standort Österreich Investitionen zur Umweltentlastung oder zum Umstieg auf Erneuerbare Energien tätigen. Mit dem schon erwähnten OeKB > ESG Data Hub haben wir im August 2022 ein neues Produkt lanciert. Bei unserem sozialen Engagement richten wir den Fokus auf Projekte und Organisationen, in denen der Mensch im Mittelpunkt steht, und die sich dafür einsetzen, allen Menschen ein würdiges und chancenreiches Leben zu ermöglichen – unabhängig von Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht“, sagt die OeKB-Vorständin, die eine klare Definition von Erfolg hat: „Wenn wir es schaffen mit unseren Services einen Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden zu generieren, damit deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, und gleichzeitig auch die Erwartungen unserer Shareholder (Eigentümer, Mitarbeitende, Auftraggeber Bund) zu erfüllenAlso eine klassische Win-Win-Situation zu realisieren.“

Sommer-Hemetsbergers Ziel für dieses Jahr: Die OeKB zukunftsfit zu halten und trotz des herausfordernden Marktumfeldes operativ erfolgreich zu bleiben. Dafür sei es auch ganz zentral, für die Mitarbeitenden weiterhin eine attraktive Arbeitgeberin zu bleiben.

Ihr Tipp für Frauen, die beruflich in der Finanzbranche Karriere machen wollen: „Mein Rat bezieht sich nicht nur auf die Finanzbranche, sondern gilt für alle Wirtschaftsbereiche: Es gilt, sich der eigenen Stärken bewusst zu sein, sichtbar zu sein und sich etwas zuzutrauen. Und auch Spaß an der Tätigkeit ist ein zentraler Faktor – was man gerne und mit Leidenschaft macht, macht man in der Regel auch am besten.“

Foto: OeKB / David Sailer

Trotz Corona-Krise blickt die Vorständin der Oesterreichischen Kontrollbank AG (OeKB AG) optimistisch in die Zukunft: Dank ausreichender Eigenmittel bieten die heimischen Banken eine solide Basis für ein Comeback der Wirtschaft. 

 

Ein Blick zurück: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Geschäftstätigkeit ausgewirkt?

Wir haben im ereignisreichen Jahr 2020 mit einer Palette an Unterstützungsmaßnahmen einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Krise geleistet. Im Geschäftsbereich Export Services haben wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) bei der Abwicklung der Hilfspakete des Bundes unterstützt.

Und wir haben sowohl bei den Exporthaftungen als auch bei den Exportfinanzierungen deutliche Anstiege verzeichnet. Dank der Leistungen der OeKB und unserer Töchter ist auch die Infrastruktur des österreichischen Kapitalmarktes stabil weitergelaufen. Auch bei hohen Handelsumsätzen aufgrund von Marktturbulenzen haben wir eine reibungslose Abwicklung der Wertpapiertransaktionen sichergestellt.

Und wir haben zur Deckung des gestiegenen Finanzierungsbedarfs der Republik im Jahr 2020 insgesamt zehn Bundesanleihe-Aktionen mit einem Gesamtemissionsvolumen von 40 Milliarden Euro abgewickelt. Die Tourismusbank (ÖHT) hat in dieser herausfordernden Situation gemeinsam mit dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ebenfalls ein Maßnahmenpaket geschnürt. Und auch die Oesterreichische Entwicklungsbank (OeEB) hat schnell und flexibel auf den entstandenen Liquiditätsbedarf ihrer Kunden reagiert.

Wie hoch waren die finanziellen Mittel, die im Vorjahr zur Aufrechterhaltung der Liquidität von Exportunternehmen bereitgestellt wurden?

Die von der OeKB abgewickelten Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Liquidität von Exportunternehmen umfassten Betriebsmittelfinanzierungen in Form eines Sonder-Kontrollbank-Refinanzierungsrahmens (Sonder-KRR). Zunächst auf zwei Milliarden Euro festgelegt, erfolgte aufgrund der großen Nachfrage eine Aufstockung auf drei Milliarden Euro.

Zudem hat die OeKB im Rahmen des 15-Milliarden-Euro-Hilfspakets der Regierung im Auftrag der COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) die Abwicklung von Überbrückungsgarantien für Großunternehmen übernommen.

Mit welchen Risiken muss der Bankensektor in den kommenden Jahren rechnen?

Durch die Corona-Pandemie haben sich natürlich auch für den Bankensektor gewisse Herausforderungen ergeben, für die wir aber gut gerüstet sind. Zum Jahresende 2020 erreichten die aggregierten Eigenmittel des Bankensektors in Österreich 94,3 Milliarden Euro. Die harte Kernkapitalquote lag bei ausgezeichneten 16,1 Prozent. Damit bieten die österreichischen Banken – und mit ihnen die OeKB ­– eine solide Basis für ein starkes Comeback der Wirtschaft.

Aufgrund der Lock-Downs und von Home-Office hat sich das Kundenverhalten geändert. Bemerken Sie eine größere Nachfrage nach digitalen Angeboten und Leistungen im Online-Vertrieb? 

Wie bei vielen Unternehmen hat die Corona-Krise auch in der OeKB zu einem zusätzlichen Digitalisierungsschub geführt, wir haben diese aber auch schon vorher intensiv vorangetrieben. Und auch von Kundenseite war eine größere Nachfrage zu spüren. Wesentliche Neuerungen für eine noch effizientere und bedürfnisorientiertere Betreuung unserer Kunden war der Start des OeKB Loan Pricers und der digitalen Kundenplattform my.oekb.

Zehn Positionen in zwölf Jahren: Diliane Snackers kann man getrost als „Highflyer“ bezeichnen. Begonnen hat sie ihre Karriere bereits während ihres Wirtschaftsstudiums beim IT-Unternehmen Tomtom als Content Analyst.

 

„Damals habe ich erkannt, dass mein Herz für Technologiebranche schlägt“, erzählt sie im Interview. Heute managt sie ein globales Sales-Team von rund hundert Mitarbeiter/-innen weltweit für den Cloudanbieter Netapp in Amsterdam.

Unglaubliche zehn Positionen innerhalb von zwölf Jahren hat sie für Netapp bisher innegehabt – zum Teil in den USA. Von Channel Business Analyst für EMEA über den Job als Sales Operations Manager bis hin zu ihrer jetzigen Position als Senior Director Go-To-Market Strategy and Customer Success ist sie sukzessive aufgestiegen. In ihrer derzeitigen Funktion beschäftigt sie mit dem Aufspüren und der Kapitalisierung neuer Marktchancen.

„Wir müssen smart sein und weiterdenken. Wir müssen permanent unser Business Modell und unsere Strategien adaptieren. Worauf soll der Fokus in den nächsten drei Jahren liegen, wo brauchen wir Investment, wo Weiterentwicklung? Innerhalb der Sales Organisation haben wir 2000 Mitarbeiter/-innen weltweit. Wir müssen sicherstellen, dass die Maschine läuft“, sagt sie.

Als Frau in der Tech-Branche möchte Diliane Snackers Mädchen und jungen Frauen mitgeben: „Nutzt eure Chancen und macht einfach. Es wird sich lohnen.“ Der herCAREER hat sie ein exklusives Interview zu ihrer besonderen Karriere, der Unternehmenskultur bei Netapp und ihren Learnings für junge Frauen gegeben.

Frau Snackers, zehn Funktionen in zwölf Jahren ist sehr ehrgeizig. Wie kommt das?

Diliane Snackers: Das stimmt, allerdings sagt das auch einiges über das Unternehmen aus. Wir agieren in einem hochdynamischen Umfeld: NetApp ist darauf spezialisiert, Kunden mit marktführenden Cloud-Datenservices, Storage- Systemen und Software dabei zu unterstützen, das Beste aus ihren Daten herauszuholen.

Denken Sie an Covid-19 und die damit einhergehenden Beschränkungen. Von zuhause zu arbeiten: wie soll das ohne Technologie, ohne Daten möglich sein? Wir arbeiten in einer superspannenden Welt. Ich habe von 2015 bis 2018 für Netapp in den USA gearbeitet und ganz anderes Umfeld erfahren. Dann kam ich zurück und nach einer Restrukturierung habe ich die Leitung für den Sales Strategy and Ops für EMEA übernommen.

Ihr Team ist also sehr global verstreut. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Diliane Snackers: Mein Team aus hundert Mitarbeiter/-innen ist rund um die Welt verstreut, von Amsterdam nach Indien bis in die USA und Kanada. Das ist eine sehr diverse Gruppe hinsichtlich des Geschlechts, ihrer Erfahrungen und ihrer Position in ihrer Karriere.

Wie würden Sie die Kultur bei NetApp beschreiben? Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als collaborative.

Diliane Snackers: Es gibt immer Luft nach oben. Das hängt weniger von der Branche, sondern mehr von den Menschen ab. Allerdings erkennt Netapp das Potenzial, wenn Mitarbeiter/-innen kollaborieren. Das Unternehmen hat eine neue Initiative gestartet: Diversity, Inclusion and Belonging. Das nehmen wir sehr ernst und ist auch Teil der Unternehmensstrategie. Die Philosophie dahinter ist: Wir können niemals als einzelner Soldat einen Krieg gewinnen. Daher müssen wir die ganz unterschiedlichen Fähigkeiten der Leute anerkennen. Als Organisation ist es wichtig, ein kollaboratives Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter/-innen zu schaffen. Ich finde wir machen das sehr gut. Die Talenteförderung hat mich auch stets im Unternehmen gehalten.

Inwiefern ist die GenY hier ein Thema?
Diliane Snackers: Als Organisation haben wir die Verantwortung, Talente anzuziehen, ihnen Perspektiven zu bieten und jungen Leuten zu ermöglichen, bei uns ihre Karriere zu starten. Dafür bieten wir ihnen geeignetes Programm. Wir 

haben bei Netapp ein tolles Programm für Studienabsolventen, die noch keine Erfahrung haben. Wir bringen etwa die jungen Sales-Einsteiger erfahrenen Account Executives zusammen, damit sie von ihnen lernen können. Sie betreuen gemeinsam unsere Kunden, das ist sehr erfrischend. Wir sind kein Startup mehr, haben wenig Fluktuation – unsere Belegschaft altert natürlich. Daher ist es so wichtig für uns, junge Mitarbeiter/-innen anzuziehen.

Was sind die drei Dinge, die Ihnen helfen, den Arbeitstag zu starten?

Diliane Snackers: Ich lebe in Amsterdam und liebe die urbanen Vibes. Früh am Morgen genieße ich meinen Kaffee und den Blick auf die Stadt. Ich bin ein Early Bird, auch Struktur ist mir sehr wichtig. Ich habe eine Assistentin, die sehr hilfreich ist und mein Kalender ist super gemanagt. Ich gehe auch zweimal die Woche ins Gym, um gesund und in Balance zu bleiben. Ich habe meine Gewohnheiten während des Lockdowns kaum verändert. Die einzige Veränderung ist, dass die Arbeitsumgebung immer zuhause ist. Vor der Pandemie bin ich häufig quer durch die Welt gereist.

Sie sind in Ihrer zehnten Position in zwölf Jahren. Haben Sie Ihre Karriere geplant?

Diliane Snackers: Schon als junges Mädchen habe immer gesagt: irgendwann will ich Geschäftsfrau werden, Rechtsanwältin. Ich habe das wirklich vor meinen Augen gesehen – ich wollte die Welt regieren (lacht). Den Plan habe ich abgeschrieben. Wenn man Karriere machen will, ist wichtig zu verstehen, was der nächste Schritt ist. Es ist wichtig, Chancen zu identifizieren, um den nächsten Meilenstein zu erreichen. Man sollte niemals aufhören zu lernen.

Was tun Sie, um weiterzulernen?

Diliane Snackers: Derzeit recherchiere ich viel, lese viele Bücher und beobachte Menschen, die es richtig gut machen. Je höher man in einer Organisation aufsteigt, desto schwieriger wird das Umfeld. Da gibt es einige harte Nüsse. Es ist nicht rau und respektlos, sondern oft einfach nur anders. Man muss neue Techniken entwickeln und Selbstvertrauen haben. Ich denke nicht, dass ich eine scheue Person bin, aber es ist nicht Teil meiner Komfortzone, laut Dinge anzusprechen.

Es ist immer wieder zu lesen, dass Frauen in der Tech-Branche durchaus zu kämpfen haben – Stichwort Sexismus im Silicon Valley. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Diliane Snackers: Ich habe in meiner Karriere nie negative Erfahrungen in Bezug auf das Geschlecht gemacht oder Nachteile empfunden, weil ich eine Frau bin. Das liegt vor allem daran, dass es bei Netapp eine wertschätzende, respektvolle Kultur gibt. Das Wichtigste ist der gegenseitige Respekt für Unterschiede, denn: Frauen und Männer sind sehr unterschiedlich.

In Ihrem LinkedIn-Profil hat ein Geschäftspartner über Sie geschrieben, Sie seien eine „natürliche Problemlöserin“. Netapp sucht auf seiner Karriereseite nach Problemlösern. Ist das eine zunehmend wichtige Fähigkeit für Sie und die Tech-Branche?

Diliane Snackers: Ich bin definitiv kein Troublemaker. Ich bin wahrscheinlich eine Problemlöserin und brauche in meiner Organisation definitiv auch Problemlöser/- innen. Ich denke sehr analytisch, das hilft dabei, bestimmte Muster und Anomalien festzustellen. Es ist meine natürliche Tendenz, auf Herausforderungen lösungsorientiert zu reagieren, um sie zu überwinden. Kreativ und lösungsorientiert zu sein, ist bei uns wichtig. Wenn Mitarbeiter/-innen ständig Hürden und Probleme sehen, bringt uns das nicht weiter. Besser ist zu sagen: ok, das ist nicht cool, wie können wir das ändern?

Ein sinnvolles Mindset für Führungskräfte, um besser mit großen Veränderungen und Krisen umzugehen?

Diliane Snackers: Ja, ich denke, das wird helfen. Es gibt immer ein Für und Wider. Aber in dem Moment, in dem wir vor den Schwierigkeiten weglaufen, bremsen wir den Fortschritt und das künftige Potenzial. Die erste Frage ist immer: wohin wollen wir? Und dann muss man sehen, ob es das Investment wert ist und wie man dahin kommt.

Netapp unterstützt auch die globale Initiative Women in Technology mit Events. Warum?

Diliane Snackers: Ja, ich habe dieses Jahr erstmals bei einem Event mitgemacht. Nicht, weil ich glaube, dass unsere Organisation einen negativen Gender-Bias gegen Frauen hat – meine Kolleginnen und ich werden gleichwertig wie Männer behandelt –, sondern weil es eine Gelegenheit ist, die Wichtigkeit von Inklusion und unterschiedlichen Ansichten in Organisationen hervorzuheben. Hier geht es nicht nur um Frauen, sondern prinzipiell darum, Andersartigkeit zuzulassen. Das beginnt bei unterschiedlichen Perspektiven auf individueller Ebene, die wir in Unternehmen zulassen sollten. Nicht jeder hat die ermutigenden Vorbilder, daher ist es gut, der jungen Generation, aber auch gleichaltrigen Frauen zeigen, dass es möglich ist, seine Ziele zu erreichen.

Welchen Rat geben Sie jungen Frauen und Mädchen?

Diliane Snackers: Beschränkt euch niemals selbst, was eure Ziele und Wünsche angeht. Verfolgt euren Weg und macht einfach. Schaut auf eure Stärken, Fähigkeiten und Potenziale und überlegt euch gut, wo ihr hinwollt. Lasst euch niemals durch andere Leute von eurem Weg abbringen. Und taucht in die Technologien ein: das ist unglaublich spannend, mit Daten ist so vieles möglich. Das Gesundheitssystem, das Finanzwesen, alles basiert auf Daten und Technologie. Es ist nicht langweilig, sondern supercool.

Über Diliane Snackers

Nach ihrem Wirtschaftsstudium an der Inholland Universität begann Diliane Snackers nach einem kurzen Abstecher in die Bankenbranche im Jahr 2006 ihre Tech-Karriere beim Navigationstechnologie-Anbieter TomTom als Content Analyst und Reporting Specialist. 2008 wechselte sie zum Cloudanbieter NetApp in Amsterdam in die Funktion des Channel Business Analyst EMEA und stieg rasant auf.

Seit Mai 2020 ist Diliane Snackers als Senior Director GTM Strategy and Customer Success für die Evaluierung der Marktchancen und der Markteintritte für NetApp weltweit zuständig.

Weltweit beschäftigt der im Jahr 1992 gegründete IT-Pionier mit Hauptsitz in Sunnyvale, Kalifornien, rund 10.500 Mitarbeiter/-innen, in der Sales-Organisation arbeiten global rund 2000 Mitarbeiterinnen.

Foto: NetApp, Quelle: herCAREER

Mag. Svetlana Smiljanić ist Vorstandsmitglied der Wiener Städtische Osiguranje in Serbien, die zur Vienna Insurance Group in Österreich gehört.  

 

Frau Smiljanić, seit wann sind sie im Vorstand der Wiener Städtischen Versicherung in Serbien und wie beschreiben Sie den beruflichen Alltag in dieser Position?

Ich bin etwas länger als ein Jahrzehnt im Vorstand, seit dem 01.03.2011. Ich bin für sechs Abteilungen zuständig, von der Personenversicherung, über die Schadenabteilung, dem Personalmanagement bis zum Marketing. Es ist meine Aufgabe sicherzustellen, dass die verschiedenen Abteilungen im Einklang mit der Strategie des Unternehmens tätig sind, sich gegenseitig unterstützen und mit allen anderen Abteilungen des Unternehmens synchron laufen.

Das Jonglieren zahlreicher interner und externer Prioritäten, die Mitarbeit bei strategischen Partnern und die Harmonisierung mit der Strategie der Vienna Insurance Group in Wien prägen meinen geschäftlichen Alltag. Aber, das Bewusstsein, dass ich auf diese Weise das Schicksal des Unternehmens und der Angestellten mitbestimme, verleiht mir die Kraft, jeden Tag mein Bestes zu geben.  

Jetzt gilt Serbien doch als Land mit einer sehr patriarchalischen Struktur. Wie schwer war es für Sie, in so eine Führungsfunktion zu kommen?

Teilweise stimme ich zu, dass das patriarchalische Gesellschaftsmodell in Serbien weiterhin dominant ist. Vielleicht ist das mehr die Folge der gesellschaftlichen Darstellung der Frau in den Medien, die in der letzten Zeit auf die betonte Mutterrolle und jener Person, die für die Hausarbeiten zuständig ist, eingeschränkt wird. Die Realität ist ganz anders.

Ich selbst komme aus einer Familie, in der die Mutter sich auf die gleiche Weise wie der Vater professionell verwirklicht hat. Das ist oft der Fall von in der Großstadt lebenden Familien. Ich habe es nie akzeptiert, auf meine biologischen Funktionen beschränkt zu werden. Im Gegenteil, ich bin mir meiner menschlichen und professionellen Qualitäten bewusst, was auch dazu geführt hat, dass ich mich im Rahmen des Berufslebens immer gleichwertig fühle.

Genauso werde ich auch von anderen Leuten betrachtet, somit hatte ich kein besonderes Problem, meine professionelle Vision zu verwirklichen und in eine Führungsposition zu kommen. Aber, wie auch für alles andere im Leben ist der Glücksfaktor sehr wichtig. Tatsache ist, dass ich als sehr junger Mensch die Gelegenheit bekommen habe, in einem internationalen Unternehmen zu arbeiten, in dem meine Potenziale sehr schnell erkannt wurden und ich die Möglichkeit hatte, mich stets weiter zu entwickeln. 

Sehen Sie sich als Ausnahme oder gibt es in Serbien viele Frauen im Finanzbereich in den obersten Führungspositionen?

Ich bin im serbischen Finanzwesen sehr aktiv und konnte mich überzeugen, dass im Finanzwesen zahlreiche Frauen in Führungspositionen vertreten sind, die eine wichtige Antriebskraft für ihr Unternehmen sind. Ich bin Mitglied des Präsidiums des Serbischen Verbands der Volks- und Betriebswirte, einer der ältesten und renommiertesten Vereinigungen der Wirtschaftswissenschaftler in unserem Land.

Ich bin stolz darauf, Teil der Gesellschaft von sehr geschätzten und erfolgreichen Kolleginnen und Kollegen zu sein. Das war aber nicht immer so. Als ich 2011 als dreiunddreißigjährige Frau Mitglied des Vorstands geworden bin, war ich eher eine Ausnahme als die Regel. Es freut mich zu sehen, dass sich in der Zwischenzeit einiges geändert hat. Wir sind zahlreicher, und das ist hervorragend. 

Wer verwaltet in den serbischen Haushalten üblicherweise das Geld, die Frau oder der Mann? Wie sieht es beim Thema Sicherheit, der Domäne der Versicherungen aus? 

In Serbien gibt es ein Sprichwort das der Mann der Kopf des Hauses, und die Frau der Hals ist, der diesen Kopf steuert. Auch in Konstellationen wo die Frau weniger verdient als der Mann, ist sie meistens die Säule der Familie und beeinflusst wesentlich die finanziellen Entscheidungen in ihrem Haushalt. Das gleiche gilt auch für Entscheidungen im Versicherungsbereich.

Die Versicherungsdurchdringung ist in Serbien noch sehr niedrig. Die Serben geben so rund 105 Euro im Jahr für Versicherungen aus, im Nachbarland Kroatien sind es 345 Euro, in Österreicher rund 2.000 Euro. Fehlt es an der nötigen Finanzkraft oder ist der Absicherungsgedanke noch zu gering ausgeprägt?

Als ein Land, das sich immer noch in der Phase der Beitrittsverhandlungen für die volle EU-Mitgliedschaft befindet, steht Serbien vor zahlreichen Herausforderungen, die noch zu bewältigen sind, um sich an die Normen und Standards der Mitgliedsstaaten anzupassen. Das ist auch mit dem allgemeinen Lebensstandard verbunden, welcher das Wachstum des Versicherungsmarktes wesentlich beeinflusst.

Als Unternehmen, dem es in jedem Jahr gelingt, den jährlichen Ertrag und den Marktanteil zu erhöhen, betrachten wir den relativ unentwickelten Versicherungsmarkt als unsere Chance, einen positiven Einfluss auf das Bewusstseins zur Notwendigkeit der Versicherung auszuüben.   

Wie gehen Sie als Versicherungsunternehmen, dessen Hauptaufgabe es ist, Risiken des täglichen Lebens abzusichern, mit der Coronakrise um? 

Zahlreiche Projekte im Bereich der Digitalisierung, die wir im Laufe des Jahres 2020 unabhängig von der globalen Pandemie realisiert haben, haben sich als wesentlich für die Bewältigung von Herausforderungen und Risiken für unsere Geschäftstätigkeit gezeigt.

Unsere Angestellten sind praktisch ohne Probleme auf Home-Office umgestiegen und mit den Kunden sind wir über die schon hergestellten Online-Plattformen und digitalen Applikationen in Kontakt geblieben. Jetzt, wo in Serbien eine ausreichende Anzahl von Impfstoffen vorhanden ist, haben wir unseren Angestellten ermöglicht, sich gemeinsam zur Impfung anzumelden, um nicht auf individuelle Impftermine warten zu müssen. 

Wer führt aus Ihrer Sicht durch so große Herausforderungen besser durch die Krise, Männer oder Frauen bzw. was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Managementqualitäten?

Oft werde ich gefragt, wer die besseren Manager sind: Männer oder Frauen. Laut Forschungen ist die Multitasking-Fähigkeit einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Frauen können dank ihren biologischen Prädispositionen ihre Aufmerksamkeit erfolgreich gleichzeitig mehreren Sachen widmen, wie auch leichter von einer auf eine andere Priorität übergehen.

Das sehe ich auch bei mir. Ich habe immer mehrere Prioritäten, an denen ich parallel arbeite. Andererseits können Männer sich gründlich auf eine Sache fokussieren und sie detailliert bearbeiten. Meiner Meinung nach soll ein modernes Unternehmen ein balanciertes Verhältnis der weiblichen und männlichen Manager herstellen, darin sehe ich den Schlüssel zum Erfolg. 

Wie bezeichnen Sie ihren Führungsstil, was schätzen die Mitarbeiter an Ihnen?

Die Vielfalt ist einer der Grundwerte unseres Unternehmens. Auch mein Führungsstil beruht auf der Schätzung dieser Verschiedenartigkeit und Vielfalt menschlicher und professioneller Potenziale meiner Mitarbeiter.

Andererseits unterstütze ich Kreativität, analytische Denkweise, ständige Fortbildung und das Bewusstsein, das unser Erfolg so gut ist wie die Zufriedenheit unserer Kunden mit unserer erbrachten Dienstleistung. Die Verantwortung und das Versprechen, das wir unseren Kunden gegeben haben, spiegelt sich in dem von uns gewonnenen Vertrauen wieder. 

Was macht Ihnen an Ihrem Job besonders viel Freude?

Im Rahmen meiner Geschäftstätigkeit gleicht kein einziger Tag dem anderen. Die Versicherung stellt eine unerschöpfliche Quelle neuer Kenntnisse dar, in deren Schaffung ich auch selbst involviert bin. Jedes Jahr führe ich mit meinen Teams zahlreiche Projekte durch deren Ziel es ist, die bisherige Arbeitsweise zu verbessern und unseren Kunden neues anzubieten.

Ständige Veränderungen betrachte ich als Zeichen der Vitalität und Resilienz, und ich könnte mich nie mit einer Geschäftstätigkeit befassen, die schnell in Routine übergeht.  

Was steht privat bei Ihnen im Mittelpunkt Ihrer Interessen? 

Ich bemühe mich, meine Freizeit jenen Aktivitäten zu widmen, mit denen ich meine gesunden - körperlichen und intellektuellen - Gewohnheiten pflege. Es ist mir wichtig, durch sportliche Aktivitäten die negativen Folgen des mehrstündigen Sitzens im Büro zu neutralisieren. Sport hilft mir, mich zu regenerieren und die Welt um mich herum klarer zu betrachten.

Andererseits sind mir künstlerische Inhalte wichtig um den Alltag, der – vor allem im letzten Jahr - oft trübe und ungewiss sein kann, leichter zu überwinden. Ein gutes Buch, ein guter Film, oder Gespräche über die neuen Werke, die wir für unsere Wiener Kunstkollektion auswählen, stellen meine seelische Nahrung dar. Ich freue mich auf den Zeitpunkt, wenn es wieder sicher sein wird zu reisen, neue Destinationen zu erforschen und beliebte Reiseziele zu besuchen. Das sind Erfahrungen, die ich am meisten genieße. Natürlich ist da auch die Familie, die unerschöpfliche Oase der Ruhe, des Friedens und des Glücks. 

Foto: Wiener Städtische Osiguranje 

Mit Sonja Sheikh übernahm im Sommer des Vorjahres erstmals eine Frau die Geschäfte des Forschungsnetzwerks ACR. Ihr Ziel: Die Sichtbarkeit und Bekanntheit der verschiedenen Institute zu erhöhen.

 

"Ich bin seit vielen Jahren im Bereich der Forschungs- und Innovati­onspolitik tätig und kenne daher die Rahmenbedingungen, unter denen die ACR-Institute arbeiten, recht gut“, erörtert Sonja Sheikh. Nun bemühe sie sich darum, diese bis zu einem gewissen Grad zu beeinflussen, im Sinne der angewandten Forschung, der ACR-Institute und nicht zuletzt der KMU.

„Nach fast einem halben Jahr als Geschäftsführerin sehe ich, dass die ACR in der Öffentlichkeit nicht den Stellenwert hat, den sie verdient. Hier gilt es, unsere gute Arbeit noch besser zu ver­kaufen. Hinzu kommt, dass die ACR der Zusammen­schluss sehr heterogener Institute und daher interne Vernetzung extrem wichtig ist. Wir sind grundsätzlich sehr gut aufgestellt, es gibt aber Potentiale, die noch besser genutzt werden können, um einen größeren Impact der Forschungsergebnisse zu erzielen.“  

Im Verband wurden dieses Jahr einige Initiativen gestartet, so wurde zum Beispiel der neue Schwerpunkt „Digitalisierung“ eingeführt und die Strategie neu aufgestellt. „Gerade im Bereich Digitalisierung tut sich sehr viel, deshalb haben wir zum Beispiel ein Coachingprogramm für Hafner, HAFNERdigital, initiiert, das nun auf weitere Branchen ausgerollt wird“, sagt die neue ACR-Geschäftsführerin. Bei den ACR Kooperationspreisen wurde ein Projekt ausgezeichnet, das große CT-Scans von Bauteilen durch eine VR-Brille „erfassbar“ macht. Sheikh sieht auch eine positive Entwicklung der Institute und ein stärkeres Commitment der Stakeholder. Auf diesen positiven Signalen werde aufgebaut.

 Kommunikationsoffensive

„Wir werden offensiver sein in der Kommunikation, um zu zeigen, dass gerade die ACR in der angewandten Forschung einen besonders großen Hebel in Richtung Impact und Verwertbarkeit von Forschungsergebnissen erzielen kann“, so Sonja Sheikh. Gleichzei­tig sollen die Dienstleistungen für die Mitglieder erhöht werden, angefangen von Unterstützung bei För­derungsanträgen, über Schulungen in Wissenschafts­kommunikation bis hin zur Optimierung der Webpräsenz. Mittelfristig soll das ACR-Netzwerk erweitert werden, um sich thematisch breiter aufstellen zu können. Sheikh: „Es wäre schön, wieder auf zwanzig Institute anzuwachsen und damit auch besser zur Erhöhung des Innovationsoutputs beizutragen, der ja in Österreich bekanntlich dem Input etwas hinterherhinkt.“

Zur Person: Sonja Sheikh kennt die ACR seit vielen Jahren, so war sie die letzten 20 Jahre beim ACR-Institut KMU Forschung Austria tätig, zuletzt als stellvertretende Direktorin. Dort beschäftigte sie sich in erster Linie mit der Evaluierung von Projekten, Programmen und Institutionen der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik sowie der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik. Sie kennt daher nicht nur das ACR-Netzwerk von innen, sondern ist auch bestens vertraut mit der FTI-Landschaft in Österreich. Sonja Sheikh studierte Wirtschaftswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen in Deutschland, wo sie auch als wissenschaftliche Tutorin am Institut für Statistik und Ökonometrie tätig war und promovierte im Jahr 1999 im Bereich Volkswirtschaftstheorie und -politik an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Foto: ACR/Alice Schnür-Wala

 

Mit Sonja Sheikh übernimmt erstmals eine Frau die Geschäfte des Forschungsnetzwerks ACR.

 

Sie kennt daher nicht nur das ACR-Netzwerk von innen, sondern ist auch bestens vertraut mit der FTI-Landschaft in Österreich. Sonja Sheikh studierte Wirtschaftswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen in Deutschland, wo sie auch als wissenschaftliche Tutorin am Institut für Statistik und Ökonometrie tätig war und promovierte im Jahr 1999 im Bereich Volkswirtschaftstheorie und -politik an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Von der zweiten in die erste Reihe

Nach über 20 Jahren bei der KMU Forschung Austria entschied Sonja Sheikh im Sommer 2018, sich beruflich zu verändern und von der zweiten in die erste Reihe zu wechseln. „Reizvoll war dabei für mich die Möglichkeit, meine bisher erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen über das österreichische FTI-System optimal in meine neue Tätigkeit einbringen zu können und damit – gemeinsam mit einem tollen Team – zur zukünftigen Gestaltung der Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsaktivitäten von 18 ACR-Instituten mit insgesamt knapp 800 Mitarbeitenden beizutragen“, sagt Sheikh.

Die Autorin, Produzentin und Menschenrechtsaktivistin Nahid Shahalimi ist in Afghanistan geboren, in Kanada aufgewachsen und lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland.

 

Ihre Projekte drehten sich zuletzt fast immer um ihr Geburtsland, aus dem sie als Kind fliehen musste. Kürzlich hat sie die afghanische Nationalhymne im Opernstil neu arrangiert – gesungen von Jugendlichen unter 20 Jahren. Im Interview spricht die weltweit bekannte Vielfachkünstlerin darüber, wie sie ihre Projekte auch unter schwierigsten Bedingungen zum Erfolg führt.

Social Impact CEO, Bestsellerautorin, Produzentin, Menschenrechtsaktivistin – all das und noch viel mehr trifft auf Sie zu. Was machen Sie eigentlich genau?

Ich male Bilder, mache Ausstellungen, schreibe Bücher und produziere verschiedenen Kunst-Projekte. Je nachdem, welches Projekt gerade läuft, bekomme ich von den Medien eine andere Bezeichnung – gerade gelte ich häufig als „Autorin“. Ich selbst habe mich lange nicht so genannt, da ich erst Know-how im Schreiben entwickeln musste. Es hat mit dem Alter zu tun, wenn man solche verschiedenen Sachen macht – im Mai werde ich 50.

Wie wählen Sie aus, welches Medium für ein Projekt am besten passt?

Das hängt davon ab, wo ich bin und was ich erreichen möchte. Ich richte mich an ganz verschiedene Menschen. Wenn es um Afghanistan geht, habe ich oft mit EU- und UNO-Komitees zu tun. Das ist sehr bürokratisch und fokussiert auf politische Entscheidungsfindung. Wenn es um Geschlechterthemen geht oder die Art und Weise, wie man strategisch überlebensfähige Projekte auf die Beine stellt, dann ist das wieder eine ganz andere Welt, mit einer ganz anderen Sprache. Aber in allem, was ich tue, möchte ich Kreativität leben, sonst habe ich keinen Spaß. Und damit meine ich nicht, dass ich nur genieße oder fröhlich herumtanze, sondern gerne morgens aufstehe und mich auf zehn bis fünfzehn Stunden Arbeit freue. Was für mich Spaß ist, nennen andere Arbeit.

2021 haben Sie das Buch „Wir sind noch da!“ geschrieben, in dem 13 Frauen aus Afghanistan über sich berichten. Wie exemplarisch ist dieses Projekt für Ihre Arbeit?

Ein Buch herauszugeben und Texte zu bearbeiten, erscheint vielleicht nicht so kreativ. Aber auch hierfür brauchte ich kreative Methoden, um mein Ziel zu erreichen: Räume mit afghanischer Expertise schaffen. Mir ist wichtig, dass die Öffentlichkeit aus erster Hand echte Afghanistan-Expert:innen hören kann.

In dem Buch berichten sehr außergewöhnlich Frauen über sich und ihre Arbeit. Sie haben alle hart gearbeitet und die meisten haben ihre Projekte noch am Laufen und große Plattformen aufgebaut – was die breite Öffentlichkeit nicht weiß. Ob Journalistin, Politikerin oder Gründerin einer Programmierschule für Mädchen – all das sind Frauen, die diese Welt bewegen, mit einer komplett anderen Sichtweise.

Zuerst kam die deutsche Veröffentlichung im Elisabeth Sandmann Verlag. Wir haben etwa 7 Wochen Tag und Nacht daran gearbeitet. Ein Jahr später kam die englische Version mit neuen Ergänzungen bei Penguin Canada. Da musste ich das ganz anders schreiben, in einem anderen Stil. Also war es quasi noch einmal ein neues Projekt.

Afghanistan wird immer ein großer Teil meines Lebens sein. Aber ich habe auch viele andere Projekte. Die meisten musste ich mit der Rückkehr der Taliban auf Eis legen, um mich auf Afghanistan zu konzentrieren.

Sie haben auch den preisgekrönten Dokumentarfilm „We The Women of Afghanistan: eine stille Revolution über Frauen in Afghanistan“ produziert. Wie wird man Produzentin?

Vieles entsteht, indem man offen ist für die Gelegenheiten, die sich einem bieten. Produzentin zu sein, ist sehr umfangreich – egal, ob es um einen Film, ein Buch oder Musik geht. Manchmal macht man „nur“ die Finanzierung. Ich finanziere alles selbst und das ist nicht einfach. Manchmal übernimmt man darüber hinaus das gesamte Projektmanagement. Ich habe auch immer von Anfang an eine Strategie für das Marketing, anders geht es nicht. Das ist genauso wichtig, wie das Projekt selbst.

Wie war das zum Beispiel mit Ihrem neusten Projekt? Gerade haben Sie die afghanische Nationalhymne im Opernstil neu vertont und arrangiert – gesungen von Frauen unter 20 Jahren.

Es war im Oktober 2021, nach der Arbeit am Buch „Wir sind noch da!“. Ich möchte immer eine Art Imagefilm für die Bücher herausbringen, als Promotionsmaterial. So kann ich ein größeres Publikum ansprechen. Dafür wollte ich unbedingt meine eigene Musik produzieren. Meine Idee war: folkloristische Musik, die junge Frauen singen.

Ich hatte erfahren, dass ein ganz toller afghanischer Komponist in der Nähe von Stuttgart war. Innerhalb von 24 Stunden machte ich mich auf den Weg in sein Studio, mit drei jungen Sängerinnen im Auto. Eine von ihnen war die 19-jährige Mezzosopranistin Nina Yaqob, die die Hauptstimme in dem Stück singt. Ihr Vater ist Afghane und die Mutter aus Weißrussland. Sie ist in Deutschland geboren und deshalb mit drei Kulturen aufgewachsen.

Wie die anderen Sängerinnen hat sie aber Afghanistan nie gesehen. Während der Fahrt habe ich den Sängerinnen geholfen, ihre eigene Stimme zu finden, denn sie sollten die Folklore nicht einfach kopieren. Nina Yaqob hat herumprobiert und plötzlich die afghanische Nationalhymne angestimmt. Ich war so überrascht, ich hätte fast einen Unfall gebaut. In diesem Moment habe ich mich entschieden, die Nationalhymne neu zu vertonen. Wir haben sie dann gleich einmal im Studio aufgenommen. Das war noch nicht ganz das, was ich wollte. Aber die Idee war geboren. Manchmal ist es gut, ein Konzept kochen zu lassen. Später haben wir es weiterentwickelt.

Welche Botschaft möchten Sie mit der neu produzierten Nationalhymne vermitteln?

Das Stück hat verschiedene Ebenen. An erster Stelle steht für mich wirklich dieses neue Genre. Ich liebe klassische Musik – von Beethoven bis Maria Callas, also vor allem Oper. Morgens mache ich meist einen dreiviertelstündigen Spaziergang mit solcher Musik im Ohr. Aber die afghanische Musikkultur kennt das Klassische nicht. Es gibt verschiedene folkloristische Stile in Afghanistan und die wollte ich schon immer aus ihrem Rahmen herausbringen – auch, um es für eine junge Generation interessanter zu machen.

War es Ihnen darum so wichtig, dass die Sängerinnen unter 20 Jahre alt waren?

Ja, auch. Es ist ein Stück, das wunderschön ist. Aber wir müssen auch einen Dialog darüber führen, was Afghanistan ausmacht. Dabei sollten wir den Jugendlichen und ihren Talenten mehr vertrauen. Wenn wir heute politische Entscheidungen treffen, geht es um deren Zukunft, die wir möglicherweise verderben. Sie müssen irgendwann die Probleme lösen.

Ich würde mich so freuen, wenn die Jugendlichen in der Region auf einmal Opernelemente in die tausendjährige folkloristische Geschichte der afghanischen Musik hineinbringen. Wenn das Stück viele inspiriert, wieder Musik zu machen und noch lauter über afghanische Musik zu reden, auch in der gesamten Region – in Pakistan, Indien und im Iran. Ich möchte nicht, dass diese Hymne als politisches Stück betrachtet wird. Dennoch gibt es in meiner Strategie immer etwas Politisches. Denn wenn man etwas ändern möchte, muss man die Politik ändern. Alles, was mit Afghanistan zu tun hat, ist politisch – gerade jetzt. Und noch mehr, wenn junge Frauen dabei mitwirken.

Inwiefern ist das Stück politisch – können Sie das genauer erklären?

Die jungen Frauen haben die Hymne gesungen. Das war in der afghanischen Musik schon immer ein Tabu, auch vor der Taliban-Machtübernahme. Der 20-jährige Arash Amiri hat die Instrumentalbegleitung übernommen. Auch das ist ein Statement. Musik ist in Afghanistan inzwischen komplett aus dem Leben verschwunden.

Es ist niemand erlaubt, Musik zu machen. Die Taliban verbrennen Musikinstrumente, sie schlagen Musiker – Männer und Frauen. Es ist eine dunkle, stille Welt. Es gibt keine Farben und keine Geräusche. Solch eine Kultur und solche Sitten hat Afghanistan nie gehabt. Die Seele von einem Land hängt an der Kunst und speziell an der Musik.

Mussten Sie sich bei der Arbeit an dem Stück zensieren, um die Beteiligten zu schützen?

Es war mir sehr wichtig, die Mädchen zu schützen – vor all dem, was da kommen könnte. Sei es von der deutschen Seite, international oder von Afghanistan. Insbesondere Nina Yaqob manage ich als Hauptsängerin. Wenn es um Interviews zur Hymne geht, dann bereite ich sie auf schwierige Fragen vor. Wir waren in Washington und da haben wir das Video zu dem Stück gedreht.

Auf einer Charity-Gala der afghanisch-amerikanische Women Foundation war die Premiere der neu arrangierten Hymne. Da waren viele Leute vom State Department und aus der Politik. Das mussten wir intensiv mit Nina durchgehen und diese Erfahrung hat sie zu einem anderen Menschen gemacht.

Was sind denn schwierige Fragen, die da kommen können?

Zum Beispiel: „Deine Mutter ist aus Weißrussland, du bist nie in Afghanistan gewesen, Du sprichst die Sprache nicht. Wer gibt Dir das Recht, die afghanische Nationalhymne zu singen?“ Die Hymne ist auf Paschtu und das spricht nur ein Teil der Bevölkerung. Ich verstehe ein bisschen Paschtu, aber wir sind nicht Paschtu-sprachig in meiner Familie und die Sängerinnen haben das auch nicht als Muttersprache.

Da gibt es immer Menschen, die meinen, man sei nicht afghanisch genug. Das ist hierzulande nicht anders. Da muss man immer beweisen, dass man irgendwie genug ist, um in die Kultur zu gehören. Oder es können Fragen kommen wie: „Warum ist die Hymne in Paschtu und nicht in anderen afghanischen Sprachen wie Dari, Farsi oder Hazaragi?“ Es gibt auch Afghaninnen und Afghanen, die sagen, wir akzeptieren die Hymne nicht, weil sie uns nicht repräsentiert. Ein Jahr lang habe ich mich nur mit solchen Fragen beschäftigt. Ich habe Menschen mit lokaler Expertise dazu befragt, von denen ich weiß, dass sie mir auch wirklich die Wahrheit sagen.

Welche Argumente kann man da entgegensetzen?

Die Professionalität von Nina Yaqob steht außer Frage. Sie hat jahrelang Gesangsunterricht genommen und nimmt immer noch welchen. Von sich zu sagen, ich bin Mezzosopranistin, das ist kein einfacher Weg. Sie ist mit afghanischen Wurzeln aufgewachsen und kennt Sachen von der afghanischen Kultur, da muss ich sagen: „Wow, Respekt!“. Wie sie sind auch die anderen jungen Menschen, die an der Hymne beteiligt waren, Kinder der Diaspora. Sie haben diese Liebe zum Land, eine Leidenschaft für die Kultur von Afghanistan. Diese junge Generation ist von der Globalisierung geprägt und überall aufgewachsen. Dass Menschen wie Nina die afghanische Nationalhymne kennen, das bringt Hoffnung, auch für diejenigen, die in Afghanistan sind.

Viele junge Menschen werden jetzt auf diese Art von Musik aufmerksam und fragen sich: Was ist das? Das ist für sie eine neue Welt. Wir hoffen, dass wir damit eine Tür aufgemacht haben, sich auf ganz andere Weise mit der afghanischen Kultur auseinanderzusetzen. Vielleicht finden manche junge Menschen aus Afghanistan ihren Platz dort. Nicht jeder muss ein Aktivist oder eine Aktivistin sein. Es gibt manchmal die Erwartung, dass eine Frau, die die Nationalhymne singt, die Probleme von Afghanistan oder den afghanischen Frauen auf einmal lösen sollte. Das ist nicht in Ordnung. Künstler:innen machen Kunst und wir müssen das trennen können.

Wie ist das Feedback auf das Projekt?

Außerhalb von Afghanistan haben wir fast nur Positives gehört. Innerhalb von Afghanistan gibt es schon so 10 bis 15 Prozent kritisches Feedback, von Menschen, die das nicht gut finden oder nicht verstehen, was wir tun. Oper ist auch Geschmackssache. Ich versuche sehr viel zu erklären, spreche in Podcasts, gebe Interviews, um Menschen, die Musik mögen, nahezubringen, was alles dahintersteckt.

Kommt die neu produzierte Nationalhymne bei afghanischen Frauen überhaupt an?

Für Frauen ist die Situation in Afghanistan gerade sehr schwer. Ende Dezember 2022 haben die Taliban ein neues Dekret erlassen, das Frauen den Besuch höherer Bildungseinrichtungen und die Arbeit in NGOs verbietet. Sie dürfen kaum noch arbeiten. Arbeit ist auf wenige Tätigkeiten, beispielsweise im Gesundheitswesen, beschränkt. Sie dürfen nicht auf die Straße ohne einen guten Grund.

Und ohne einen Mann sowieso nicht. Aber nicht jede Frau hat einen Bruder oder Mann in der Familie. In Afghanistan herrscht seit fast 50 Jahren Krieg, viele Männer sind gestorben. Selbst Ärztinnen kann es passieren, dass sie auf dem Weg zum Job stundenlang von einem Fußsoldaten aufgehalten werden.

Afghanistan ist jetzt das einzige Land auf der Welt, wo kleine Mädchen nicht mehr in die Schule gehen dürfen nach der sechsten Klasse. Aber das Gute ist, das Internet ist noch da, noch. Frauen haben Zugang zu sozialen Medien. Das ist der einzige Weg, wie die Frauen dort an Informationen kommen und wir Informationen aus dem Land erhalten.

Inwiefern richtet sich das Projekt auch an Männer?

Das ist auch eine Facette. Es würde Männern auch besser gehen, wenn sie Musik machen dürften – das ist nicht nur eine Sache der Frauen. Und Feminismus und Demokratie hat Afghanistan nicht erst in den letzten 20 Jahren gelernt. Das war viel früher da. Frauen durften in Afghanistan beispielsweise schon 1965 wählen, in der Schweiz erst 1971.

Durch den Krieg haben wir aber eine kollektive Amnesie erlitten. Wir erinnern uns nicht mehr, was wir schon erreicht hatten. Die Kunst ist eine Möglichkeit, dass Frauen mit Männern am Tisch sitzen und in einen Dialog kommen. Wenn wir mehr für Frauen erreichen möchten, kommen wir nicht immer mit Revolution und harten Worten weiter. Es braucht eine Evolution der Generationen. Jede Generation versucht etwas zu verbessern und ihre eigenen Töne hineinzubringen. Ob das gut oder schlecht ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht das mache, was meine Mutter gemacht hat und dass meine Töchter auch nicht das machen werden, was ich mache. Und diese Evolution von Generationen wird auch mit Männern zu tun haben.

Die Frauen in Afghanistan hatten sich, bevor die Taliban zurückkamen, an ein anderes Leben gewöhnt und wie Sie sagten auch früher schon viele Rechte. Was lernen wir in der westlichen Welt daraus?

Dass wir immer mit den Leuten sprechen sollten, die wirkliche Expertise haben. Sonst wird ein Narrativ von Opfern gebaut.

Wie meinen Sie das genau?

Wenn Journalist:innen nach Afghanistan reisen, schauen sie nur auf das Heute. Da geht es darum, wie kann ich einen Artikel oder Report am besten verkaufen. In den letzten zwei Jahrzehnten musste zwar jede Frau in Afghanistan mit einer Kopfbedeckung herumlaufen. Aber ich erinnere mich an die Zeit, als junge Frauen in Kabul Miniröcke und die neueste Mode aus Magazinen trugen.

Es gab so viele Fortschritte in der afghanischen Gesellschaft und der Weg zu einer ausgewogeneren Lebensweise der Geschlechter wurde von Tag zu Tag solider. Ich will damit nicht sagen, dass es in unserer afghanischen Gesellschaft innerhalb und außerhalb Afghanistans keine geschlechtsspezifischen Probleme gab oder gibt. Wir müssen daran arbeiten, genau wie der Rest der Welt auch. Denn KEIN Land auf dieser Welt ist bisher völlig gleichberechtigt. Laut dem Global Gender Gap Report 2022 wird es 132 Jahre dauern, um diese Lücke zu schließen.

Wenn man nur von Krieg und Unterdrückung der Frauen erzählt, entsteht ein einseitiges Bild. Natürlich ist das so, aber das ist trotzdem nicht alles. Dabei werden afghanische Frauen zu exotischen Wesen. Sie sind so weit weg, dass wir uns nicht mit ihnen verbinden müssen. Das ist der Hauptgrund, warum ich das Buch „Wir sind noch da!“ geschrieben habe. Denn das ist ein Muster, das ich nicht nur im Journalismus beobachte, sondern auch in der europäischen Politik und der Weltpolitik.

Sind Sie enttäuscht von der deutschen Politik – zum Beispiel von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die von feministischer Außenpolitik spricht?

Enttäuschung ist leicht gesagt. Deutschland hat absolut nichts gemacht in der letzten Zeit. Und es gab sehr viel Gatekeeping gegenüber Afghanistan. Die EU hat Top-Frauen aus Afghanistan in ihren Gremien, Deutschland nicht. Das ändert sich seit der Machtübernahme der Taliban erst jetzt ganz langsam. Man fürchtet Korruption.

Aber nicht alle Afghan:innen sind korrupt. Das merkt man ziemlich schnell. Wir engagieren uns seit Jahren ehrenamtlich, aber werden trotzdem nicht gehört. Stattdessen zieht man sogenannte Berater:innen zu Rate. Natürlich ist die deutsche Regierung auch verzweifelt angesichts der vielen Krisenherden auf der Welt. Doch wir sind in einer dynamischen Lage, da braucht man kluge Köpfe, wie die Frauen aus meinem Buch.

Mit Deinem Buch schaffen Sie es zu zeigen, was afghanische Frauen alles erreicht haben. Aber die meisten der Frauen, die darin vorkommen, sind aus Afghanistan geflohen. Und die Situation wird für Frauen immer schlimmer. Zuletzt wurde Frauen auch der Zugang zu den Universitäten verwehrt. Wie können Sie da optimistisch bleiben?

 Ich verliere nie die Hoffnung. Trotzdem ist es schwer, eine gute Balance zu finden. Meine Projekte sind sehr erfolgreich – und das sind immer so süß-sauer Momente für mich. Es gibt einige hundert Frauen, die wie ich mit ihrer Arbeit viel bewegen. Sie sind sehr aktiv in den UNO- und EU-Komitees, arbeiten hinter den Kulissen Tag und Nacht, egal in welcher Form. Über mein Sozialunternehmen „We the Women“ stelle ich afghanischen Frauen und Mädchen Stipendien für eine Hochschulausbildung zur Verfügung. Aber wir erreichen nicht die knapp 19 Millionen Frauen, die es in Afghanistan gibt.

Die Taliban werden strenger und strenger. Aber wir – das sind extrem starke Charaktere – werden immer kreativer und finden Halt miteinander. Wir sind uns aber auch nicht immer einig. Das ist manchmal problematisch. Denn es wird erwartet, dass wir mit einer Stimme sprechen. Doch wenn wir uns auch kritisieren, gibt es die besten Ergebnisse. Dafür brauchen wir auch die Stimmen von unten und von vor Ort. Wir sind da, um die Menschen in Afghanistan zu unterstützen und ihnen Räume zu geben, wo sie die Wahrheit verbreiten können. Dabei müssen wir auch aufpassen, dass Erfolge nicht gegen Afghanistan gemünzt werden – nach dem Motto, es geht ihnen doch gar nicht so schlecht. Wir müssen darauf achten, dass wir die richtigen Informationen verbreiten.

Wie haben Sie es geschafft, so viele Projekte machen zu können?

Ich bin nicht alleine dahin gekommen, wo ich heute bin. Natürlich habe ich viel gearbeitet, aber das tun viele andere auch. Ich bin immer wieder Menschen begegnet, die eine kleine Tür für mich aufgemacht haben. Und ich wusste, es ist mein Job, sie zu öffnen und durchzugehen. Das versuche ich nun auch an die nächste Generation weiterzugeben.

Viele Ihrer Projekte laufen über ein oder zwei Jahre. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

In den letzten 17 Monaten habe ich kaum einen Tag frei gehabt. Mit dem Abzug der NATO-Truppen hat die gesamte Welt auf Afghanistan geschaut. Dann hat der Ukraine-Krieg die Aufmerksamkeit verschoben – dadurch wurde unsere Arbeit noch wichtiger. Teilweise muss ich Monate im Voraus Proposals schreiben, damit Projekte rechtzeitig starten können. Ich arbeite gut, wenn ich sehr viel zu tun habe – solange ich fixe Deadlines bekomme. Aber um das alles zu schaffen, muss ich ganz viel organisieren und priorisieren. Ich habe auch gelernt, wann ich „Nein“ sagen muss – bei vielen Hilfsanfragen, wo ich überhaupt nicht helfen kann.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Ich habe nie Angst, irgendwo zu versagen. Ich gehe ran und bin überzeugt, es wird klappen. Ich gehe dann zwar strategisch und kalkuliert vor wie eine Schachspielerin. Aber ich limitiere mich nicht. Ich sage nie, es muss so sein. Wenn etwas nicht passiert, ist es oft nicht der richtige Moment. Dann sollte man Dinge auch loslassen können. Das erfordert ganz viel Flexibilität. Mein Ziel, bei allem, was ich tue, ist immer, dass ein gutes Produkt herauskommt. Manchmal hält man dabei gern an Ideen fest. Aber wenn ich weiß, dass ich dann mehr erreiche, kann ich auch auf etwas verzichten.

Das Interview führte Stefanie Hornung.

Über die Person

Nahid Shahalimi ist 1973 in Afghanistan geboren. Mit ihrer Mutter und drei Schwestern musste sie 1985 aus Afghanistan nach Pakistan fliehen und zog mit ihrer Familie nach Kanada. Dort studierte sie Internationale Politik mit Schwerpunkt Menschenrechte sowie Bildende Kunst. Im Jahr 2000 kam sie durch die Ehe mit einem afghanischen Unternehmer nach München, wo sie bis heute mit ihren Töchtern lebt.

Zu ihren herausragenden Projekten gehört „We the Women“, eine Reihe von Berichten mutiger Frauen aus der ganzen Welt, die Nahid Shahalimi 2009 startete. 2011 begann Nahid durch Afghanistan zu reisen, um Geschichten von widerstandsfähigen Frauen zu sammeln. Diese hat sie in ihrem Buch „Wo der Mut die Seele trägt: We the women of Afghanistan“ (2017) festgehalten. 2018 fand die Serie in dem mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm „We the Women of Afghanistan: a silent revolution“ ihren Höhepunkt.

Seit der Machtübernahme der Taliban arbeitet Shahalimi vermehrt in Komitees und Lenkungsausschüssen mit, die sich mit den Rechten afghanischer Frauen beschäftigen. 2021 erschien ihr Bestseller „Wir Sind Noch Da!“, in dem afghanische Expertinnen über ihre Erlebnisse nach dem Fall von Kabul berichten.

Ein Großteil der Erlöse vom Verkauf ihrer Gemälde spendet sie für humanitäre Zwecke oder finanziert daraus eigene Hilfsprojekte. Ihr Social Business „We the Women“ stellt afghanischen Frauen und Mädchen Stipendien für eine Hochschulausbildung zur Verfügung. Darüber hinaus hat Nahid Shahalimi die Kampagne „Stand up For Unity“ initiiert, die sich weltweit für Einheit durch Vielfalt einsetzt und von Persönlichkeiten wie dem Dalai Lama unterstützt wird.

Foto/Quelle: Dr. Isa Foltin/herCareer

Sie ist für die Inhouse-Agentur und die Vermarktung von ÖBB Werbeflächen im öffentlichen Raum verantwortlich. Ein ABW-Interview mit Geschäftsführerin Karin Seywald-Czihak.

 

Hat sich das Werbeverhalten der Kunden in Corona-Zeiten verändert? 

Ja, Corona hat deutliche Spuren am Werbemarkt hinterlassen. Die Unternehmen sind zurückhaltender und abwartender geworden, die Buchungen erfolgen bis heute sehr kurzfristig und spontan. Es ist ein Phänomen dieser Zeit, dass man die Entwicklungen nicht absehen kann und deshalb sehr vorsichtig ist mit Buchungen und Werbeberechnungen. 

Welche Werbeformen sind bei den Kunden besonders beliebt?

Sehr beliebt sind die digitalen Werbeformen der ÖBB, weil wir hier entsprechend flexibel sind. DOOH-Werbung ist eines der beliebtesten Produkte der Kunden geworden. 

2020 sollten die neuen „interaktiven“ 75 Zoll Stelen angepriesen werden – dann kam Corona. Wie war das Feedback der Werbewirtschaft? 

Wir haben den österreichweiten Ausbau 2020 erfolgreich abgeschlossen, sind aber noch dabei, interessante Einzelstandorte im Westen Österreichs zu erkunden, konkret planen wir den Ausbau in Jenbach, Lienz und Feldkirch. Momentan bieten wir an den 77 größten Bahnhöfen Österreichs ein digitales Werbenetz an. Es handelt sich dabei um ein äußerst attraktives Produkt, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat.

Wie digitale Werbeträger und echte Emotionen die ÖBB nach vorne bringen, erfährt ABW im Gespräch mit ÖBB Werbung Geschäftsführerin Karin Seywald-Czihak.    

 

Frau Seywald-Czihak, wie zufrieden sind Sie mit dem vergangenen Geschäftsjahr?

2019 war ein spannendes Jahr für uns. Wir sind bei zwei großen Themen von der Planung in die Umsetzung gegangen. Der Schritt vom fertigen Konzept in die Realisierung ist so ein klassischer „Moment of Truth“, den ich sehr schätze.

Worauf lag der Fokus 2019, was ist für 2020 geplant?

Bei der ÖBB Werbung sind wir zweigleisig unterwegs: Als Vermarkter der Werbeflächen auf Bahnhöfen und in Zügen auf der einen Seite und als Inhouse Agentur und kreativer Dienstleister für den ganzen ÖBB Konzern auf der anderen Seite.

Wir haben heuer ein komplett neues digitales Werbenetzwerk auf Österreichs Bahnhöfen aufgebaut. Unsere 75“ Stelen mit 4K Auflösung, Touchscreens, Kameras und Bondrucker stehen inzwischen auf 64 Bahnhöfen und erlauben neue Möglichkeiten der Kundenansprache. Mit Beginn 2020 schließen wir die erste Ausbaustufe ab, dann gilt es Österreichs Werbewirtschaft für diese neue Werbeform zu begeistern.

In der Inhouse Agentur müssen wir nach der Investition in Kreativität noch stärker in digitale Skills und Content investieren. Bewegtbild wird bei uns immer wichtiger und da haben wir uns auch schon neu aufgestellt.

2017 kehrte Karin Seywald-Czihak, nach einem Jahr als Marketingleiterin von General Motors Austria, zur ÖBB zurück, ist seither Geschäftsführerin der ÖBB-Werbung. 

 

Mehr als zehn Jahre war sie in verschiedensten Marketingpositionen bei der ÖBB aktiv, unter anderem als Marketingleiterin des ÖBB-Personenverkehrs. Als Prokuristin der ÖBB Werbung war sie bis 2016 für die großen ÖBB-Werbekampagnen verantwortlich. Nach einem Jahr als Marketingleiterin von General Motors Austria kehrte Karin Seywald-Czihak 2017 zur ÖBB zurück, ist seither Geschäftsführerin der ÖBB-Werbung. 

Seit dem 2017 sind Sie Geschäftsführerin der ÖBB-Werbung – Ihr bisheriges Résumé?

Es ist ein sehr spannendes und inspirierendes Jahr. Wir haben bereits vieles, das wir uns vorgenommen haben auf den Weg gebracht, aber es liegt immer noch ein großer Teil des Weges vor uns. Denn sowohl im Vertrieb als auch im Agenturbereich der ÖBB Werbung arbeiten wir an Projekten, die nachhaltige Wirkung in unserem Portfolio haben werden. 

Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit digitalen Strategien und operativen Umsetzungen im Bereich Media und Kreation. Cosima Serban über Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz.

 

Künstliche Intelligenz verspricht eine höhere Effizienz im Daily Business (z.B. mit MeetGeek), eine signifikante Reduktion diverser Fehlerquellen (z.B. mit Rewind AI), eine Automatisierung repetitiver Arbeitsschritte (z.B. mit Marketplan), bessere Geschäftsentscheidungen (z.B. mit Personal AI), präzisere Prioritätensetzungen im Geschäftsalltag (z.B. mit TimeHero), passendere Antworten im Kundenservice und nicht zuletzt punktuell sogar kreative und personalisierte Umsetzungsmöglichkeiten im Bereich Kommunikation und Werbung.

Die größte Herausforderung besteht darin, zu entscheiden, welche Tools man wirklich braucht und die einzelnen Komponenten strategisch miteinander zu verknüpfen. Dabei helfen Analysen aus der Innen- und Außenperspektive, langfristige Planung und kritisches Hinterfragen - relevante Themen, bei denen ich meine Kunden täglich unterstütze.

Kommt eine Maschine mit Bewusstsein?

Ich sehe viel Potenzial in den Werkzeugen und die Zukunft wird sehr spannend sein, aber einige grundsätzliche Fragen und Themen sind im Hier und Jetzt sehr wichtig.

Die höchste Stufe der künstlichen Intelligenz ist noch nicht erreicht, zumindest nicht öffentlich sichtbar und massentauglich. Dies würde semantisch, logisch und philosophisch bedeuten, dass sich die Maschine zu einer eigenständig denkenden und handelnden Entität mit Bewusstsein und Eigenleben entwickelt hat. Aus heutiger Sicht sprechen wir eher von Werkzeugen, die nur den ersten Schritt machen können. Basierend auf maschinellem Lernen fungieren sie als Aggregatoren, die Sprach-, Bild- und/oder Texterkennung beherrschen. Sie können Collagen aus vorhandenen visuellen, auditiven und textuellen Komponenten erstellen und auf Basis von Mustererkennung Insights generieren. Auf der Grundlage von Daten können diese Tools bestimmte Schlussfolgerungen ziehen, Prognosen und Vorhersagen formulieren, Potenziale entdecken und Empfehlungen aussprechen, jedoch nur auf der Grundlage von Daten, die von Menschen definiert, segmentiert und eingespeist wurden, ohne sich vom Code zu lösen, ohne selbstständig neue Denkwege außerhalb des vordefinierten Rahmens einschlagen zu können.

Viele Fragen (noch) wenige Antworten

Künstliche Intelligenz wird oft inflationär als Modewort verwendet. Derzeit sprechen wir eher von einer digitalen, maschinellen Pseudo-Intelligenz (nicht zu verwechseln mit dem Teilbereich der Roboter, die die physische Welt kontrollieren und manipulieren können). Die immer besser werdenden Algorithmen, Software- und Hardwarekomponenten werden jedoch eines Tages, möglicherweise, eine reine künstliche Intelligenz ermöglichen. Diese könnte die menschliche, biologische Intelligenz übertreffen. Heute ist dieser Punkt noch nicht erreicht. Dennoch stellen sich bereits heute einige grundlegende Fragen.

Wie kann man überhaupt einen Code entwickeln, der genügend Variablen enthält, um der künstlichen Intelligenz den Freiraum zu geben, den sie braucht, um ein eigenes Bewusstsein aufzubauen? Wenn Menschen einfache Systeme nicht sicher genug bauen können, um digitale Angriffe zu verhindern, wie kann dann eine KI in Zukunft sicher sein? Sind ihre Weltanschauungen, Werte, Ideale und Präferenzen dann nicht mehr kontrollierbar oder wird durch die Programmierung der freie Wille zwangsweise eingeschränkt? Wie kann sichergestellt werden, dass künstliche Intelligenz richtig und falsch, gut und böse unterscheiden kann? Oder wird die künstliche Intelligenz alles auf den Kopf stellen, neu definieren und neue Wertmaßstäbe schaffen oder gar vorgeben?

Menschen werden Maschinen ermächtigen, aber wie sieht die Zukunft danach aus? Wie entwickeln sich in diesem Zusammenhang menschliche Erfahrungen, Erlebniswelten, die Fähigkeit zu lernen, innovativ zu denken, Neues zu erfinden oder überhaupt Kreativität und Phantasie zu entfalten, wenn in Zukunft vielleicht jedes Rätsel mit einem Klick übersetzt, interpretiert und gelöst werden kann?

KI-Systeme kommunizieren miteinander

Betrachten wir ganz isoliert nur die Bereiche Kommunikation, Marketing und Werbung. Früher gab es nur Vermutungen und kluge Annahmen, die als Grundlage für die Gestaltung von Marketingaktivitäten dienten. Dann kamen die Daten. Heute nutzen wir ausgeklügelte Algorithmen und Systematiken, um aus Daten sinnvolle Entscheidungskriterien, passende Targeting-Optionen und relevante Inspirationsquellen für Botschaften und Sujets zu generieren. Und auch heute noch spielen Hausverstand, Erfahrungswerte, Intuition und Interpretationsvermögen eine wichtige, wenn auch manchmal nur marginale Rolle.

Stellen wir uns hypothetisch vor, dass künstliche Intelligenz in Zukunft in der Lage ist, alle Probleme, Fragen und Herausforderungen selbstständig zu lösen, dabei kreative und soziale Fähigkeiten besitzt und sich selbst Ziele setzt. Mit diesem einen Schritt braucht es keinen Menschen mehr. So könnten verschiedene KI-Systeme direkt miteinander kommunizieren. Zum Beispiel könnte ein Geschäft direkt mit einem Haus, einer Wohnung, einem Kühlschrank oder einem Kleiderschrank kommunizieren und die entsprechenden Bestellungen aufgeben.

Auf diese Weise würden vielleicht nur noch KI-relevante SEO-Taktiken benötigt. Auf der einen Seite ist das für manche sehr praktisch, auf der anderen Seite ist es für ganze Branchen und Industrien nachteilig. Dabei sind die Risiken, die mit einer möglichen Vollüberwachung durch KI verbunden sind, noch gar nicht berücksichtigt. Einfache Systeme sind heute teilweise sehr unsicher, Internetprovider und große Institutionen werden ständig gehackt. Wie viel sicherer kann KI dann in ihren ersten Lebensphasen sein, bis sie vielleicht selbstständig bessere Sicherheitssysteme entwickelt? Woher weiß die KI dann, was sicher ist, wenn die ursprüngliche Datenbasis von Menschen entwickelt wurde, die nicht alles bedacht haben?

Maschine oder menschliches Gehirn? 

Aus heutiger Sicht können Werkzeuge einiges ersetzen, anderes ergänzen, aber noch nichts vollständig ersetzen. Jede technologische Revolution hat in gleichem Maße Verunsicherung ausgelöst, Hoffnungen geweckt und neue Horizonte eröffnet. Jedes Unternehmen kann mit modernen Tools spielerisch neue Potenziale für sich entdecken. Mein Tipp: Wie bei allen datenbasierten Themen und Tools gilt auch hier: Mit Spaß und Neugierde ausprobieren, aber immer mit Vorsicht genießen, um fundierte Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können.

Chatbots als virtuelle Assistenten können schneller und präziser mit Kunden interagieren und Fragen in Echtzeit beantworten. Die Antworten und das grundsätzliche Verständnis der Fragen sind jedoch nur so gut wie die Datenbasis, die bei der Erstellung und laufenden Optimierung der Chatbots berücksichtigt und eingespeist wird. So müssen die Programmierer viele Variablen berücksichtigen, verschiedene Phrasen, Szenarien und Möglichkeiten bedenken. Natural Language Processing (NLP)-Tools spielen dabei eine wesentliche Rolle, um Emotionen besser zu verstehen und Sentimentanalysen deutlich zu vereinfachen. Bei der Erzeugung natürlicher Sprache versuchen Maschinen, die Kommunikation an das menschliche Gehirn anzupassen, so dass der Unterschied mit der Zeit immer weniger erkennbar wird.

Nutzerverhalten wird noch transparenter 

Im Bereich Predictive Analytics können Algorithmen auf Basis von Nutzer- und Kundendaten zukünftiges Verhalten vorhersagen. Dadurch können Werbeausspielungen, Platzierungen, Targeting-Optionen und Budgetverteilungen wesentlich präziser definiert werden. Die Möglichkeiten der Nutzer-, Kunden- und Leadsegmentierung sowie der Empfehlungssysteme erreichen in kurzen Zeitsprüngen immer neue Höhen. Interessen, Präferenzen und Phasen im Kaufentscheidungsprozess können datenbasiert besser erkannt werden, um passgenauere, personalisierte Produkt- und Serviceempfehlungen auf der eigenen Website im Rahmen eigener Kampagnen und laufender Aktivitäten zu generieren. Retargeting-Maßnahmen, Kundenbindungsprogramme, Empfehlungsmarketing, Cross-Selling- und Up-Selling-Strategien können davon nur profitieren. Als übergeordnetes Zukunftsthema hilft Marketing Automation, sich wiederholende Kampagnenstrukturen und Werbemaßnahmen wie Newsletter-Versand oder Leadgenerierungsaktivitäten zu vereinfachen.

Eine Frage von Ethik und Moral 

Es gibt viele Tools, die heute versprechen, das Copywriting und die Kreation im Bild-, Video- und Audiobereich zu ersetzen oder zumindest die ersten Schritte zu vereinfachen. Writesonic, Copy AI, Adcreative AI, Jasper, Rytr, Wordtune, Craiyon, Pollinations, Fliki, Synthesia, Riffusion, Boomy und viele andere versprechen, Texte, Captions, Bilder, Videos und Audioformate auf einfache Weise und auf der Grundlage einfacher Textvorgaben zu erstellen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich bei den Endergebnissen lediglich um Collagen aus vorhandenen Materialien handelt, die in der Regel keine Urheberrechte berücksichtigen.

Leider gibt es auch einige, die mit solchen Tools Formate generieren lassen, um sie dann zum Teil überteuert weiterzuverkaufen. Wer den Grundsätzen von Ethik und Moral folgt, hört schon von weitem die Alarmglocken läuten. Da sich aber in der freien Wirtschaft noch niemand konkrete, allumfassende Regeln für solche digitalen Produkte ausgedacht hat, sollte man als Unternehmen aufpassen, was zu welchen Kosten-Nutzen-Relationen angeboten wird. Auch die betroffenen Branchen sollten sich die Frage stellen, ob durch dieses Phänomen der Wert von Erfahrung und Expertise obsolet wird und wie Qualität und Transparenz in Zukunft zu definieren sind.

Klärung der Eigentumsrechte

Aus heutiger Sicht ist unter anderem die Sauberkeit der Daten ein wichtiges Thema und oft eine große Herausforderung in der modernen digitalen Welt. Wenn die Basis fehlerhaft ist oder bestimmte Mängel aufweist, wird keine Personalisierung oder Automatisierung sauber funktionieren. Abgesehen von der offensichtlichen Frage des Datenschutzes, die für alle gelten sollte, wo, wie, mit welcher Einwilligung gesammelt, analysiert und segmentiert wird, stellt sich für einige gängige Tools und ihre Nutzer auch die Frage der Eigentumsrechte, des Urheberrechts, des Copyrights.

Aus alt mach neu 

Midjourney zum Beispiel ist ein Tool, das Bilder aus Textbeschreibungen erzeugt, ähnlich wie DALL-E 2 und Stable Diffusion von OpenAI. Für Personen, die in einem stark visuell geprägten Umfeld arbeiten, in den Bereichen Kreation, Design, Frontend-Entwicklung, sogar Kunst, Interior Design, Mode, Schmuck und vielem mehr, ist dies ein großartiges Werkzeug. In kürzester Zeit können Bilder erstellt werden, die exakt den eingegebenen Texten entsprechen. Das Problem dabei? Jedes generierte Bild entspringt nicht der Phantasie einer autarken künstlichen Intelligenz, die einen übermenschlichen Status erreicht hat. Jedes generierte Bild ist ein Amalgam aus bereits existierenden Fotos, eine Collage aus Dokumenten anderer, die ihre Kunstwerke online gestellt haben. Es gibt derzeit keine Gewinnbeteiligung und niemand wird als Urheber genannt, während das Tool als Best-Practice-Innovation verstanden, genutzt und gefeiert wird.

ChatGPT funktioniert sehr ähnlich, allerdings in Textform. Der Chatbot generiert Antworten auf jede Art von Frage, schreibt ganze Artikel, erlaubt Nachfragen, kann Fehler eingestehen, falsche Prämissen hinterfragen und unpassende Anfragen ablehnen. Die generierten Antworten basieren auf Artikeln, Blogbeiträgen, Interviews und Online-Publikationen aller Art. So versteht das Tool, wie sich einzelne Zitate zu einer verständlichen Textcollage zusammenfügen lassen, aber die Antworten stammen nicht allein aus dem grenzenlosen Intellekt der Maschine. 

KI heißt, auch KI ist. Bei jedem Reboot, bei jedem Prompt sollte auch überlegt werden, welchen Einfluss die Tools auf zukünftige Entwicklungen haben werden - vor allem in Bezug auf Chancen, Sicherheiten, Risiken und Konsequenzen.

Foto: contrastblack Studio

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