Dr. Andrea Sassen-Abfalter, seit Oktober 2025 Geschäftsführerin der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank, sieht die größte Herausforderung in der wachsenden Kluft zwischen Top-Betrieben und Mittelfeld.
Im Interview spricht sie über grüne Finanzierungsinstrumente, die Bedeutung von ESG-Kriterien und wie die OeHT Tourismusbetriebe bei der Transformation unterstützt – fernab regionaler Partikularinteressen.
Sie wurden in einer Phase Geschäftsführerin der OeHT in der Zinsen, Baukosten und ESG-Kriterien die Investitionsdynamik im Tourismus stark verändern. Wo sehen Sie derzeit die größte Investitionslücke im österreichischen Tourismus und wie will die Bank diese schließen?
Eine generelle Investitionslücke ist im österreichischen Tourismus ist grundsätzlich nicht zu erkennen, aber die Kluft zwischen den Top-Betrieben und dem Mittelfeld wird größer. Während die Top-Betriebe in vielen Bereichen die grüne Transformation (Erneuerbare Energien, Ökologische Heizung, Gebäudesanierung) bereits hinter sich haben, stehen diese Investitionsschritte für viele, vor allem kleinere Betriebe noch an.
Was sich jetzt schon in den Jahresabschlüssen zeigt, ist, dass viele Betriebe trotz Einnahmen auf Rekordniveau angesichts der starken Preisanstiege mit einer rückläufigen Ertragskraft kämpfen. Trotzdem bleibt es wichtig, am Ball zu bleiben und zu investieren, z.B. in die Digitalisierung sowie eine nachhaltige Zukunft, um laufende Kosten zu minimieren.
Umso wichtiger, sich zeitgerecht um eine geförderte Finanzierung zu kümmern. Die Zinsbelastung ist zwar höher als 2021, jedoch hat sich das Zinsumfeld in den letzten Monaten und Jahren auch durchaus wieder entspannt, zumindest im Vergleich zu 2022-2023. Speziell in Westösterreich sehen wir, dass die Hausbanken sehr gute Bonitäten noch immer mit wirklich guten Konditionen finanzieren. Zwischen West- und Ostösterreich nehmen wir aber ein Delta von rund 1% bei den Hausbankfinanzierungen wahr. Problematischer ist die Situation für die mittleren Bonitäten . Hier stellt sich die Frage, ob sie überhaupt langfristige Kredite zu attraktiven Zinssätzen bei der Hausbank bekommen. Hier kann aber die OeHT zumindest mit der OeHT-Haftung helfen und 80% des Kredits besichern.
„Wir sind Möglichmacherin, kein politischer Spielball."
Die Förderlogik verändert sich – weg von klassischen Zuschüssen, hin zu nachhaltigen Finanzierungs- und Beteiligungsmodellen. Planen Sie neue Instrumente oder Partnerschaften mit privaten Kapitalgebern, um Betriebe zukunftsfähig zu finanzieren?
Wir sind derzeit sehr gut und umfangreich aufgestellt. Als Förderstelle und Bank haben wir eine ganz besondere Position inne. Wir können den heimischen Tourismus-KMU eine Vielzahl an Unterstützungsmöglichkeiten bieten. Vom Kredit, über die Haftung bis hin zum Zuschuss oder ein Mix aus mehreren Instrumenten ist dabei denkbar.
Speziell der Grüne Tourismuskredit mit einem Zinsenzuschuss iHv 3% p.a. , für nachhaltige Investitionen bringt, da er zusammen mit dem Nachhaltigkeitsbonus eine einmalig hohe Förderkombination für Tourismusbetriebe darstellt, eine sehr innovative Investitionsmöglichkeit. Wir sehen die Zukunft vor allem im Bereich der Finanzierung und Förderung von grünen und nachhaltigen Investitionen. Dafür haben wir schon jetzt ein attraktives Angebot für die Branche.
Viele Tourismusbetriebe kämpfen mit Nachfolge, Digitalisierung und Ertragsschwäche. Wie will die OeHT künftig zwischen Betrieben unterscheiden, die eine Zukunft haben, und jenen, die nur verwaltet werden?
Wir sehen uns jeden Betrieb einzeln an. Bei uns gibt es kein Schubladendenken, sondern echte Kundenzentrierung und -beratung. Das bedeutet, dass wir mit all unseren Mitteln den jeweiligen Betrieb unterstützen und voranbringen möchten. Klar ist, ESG und Nachhaltigkeit sind gekommen, um zu bleiben. Wir sehen, dass die Beschäftigung mit ESG-Kennzahlen den jeweiligen Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringt und mittel- und langfristige strategische Planung pusht. Unser Ziel ist, mit unseren grünen Förderungen diese nachhaltigen Investitionsschritte zu incentivieren.
„Wir fördern die Begeisterung für modernen und verantwortungsbewussten Tourismus – dafür sind wir die erste Anlaufstelle in Österreich."
Sie verfügen über langjährige Führungserfahrung mit juristischem Hintergrund und waren Aufsichtsratsmitglied der OeHT. Welche Governance- oder Compliance-Strukturen möchten Sie im Förderwesen neu aufsetzen, um Mittelvergabe transparenter und effizienter zu gestalten?
Wir sind laufend mit dem zuständigen Ministerium dabei, die Förderprozesse zu evaluieren und zu verbessern. Gerade versuchen wir unsere Anforderungen an die Energieausweise zu vereinfachen und damit einem großen Anliegen der Branche Rechnung zu tragen. Wichtig ist es jetzt auch darauf zu achten, dass wir als Förderbank selbst nicht mit Regularien überproportional gelähmt werden. So brauchen wir zum einen dringend -wie für andere Förderbanken EU-weit vorgesehen- Ausnahmeregelungen von jenen EU-Vorschriften, die für Kommerzbanken entwickelt wurden. Diese machen für eine Förderbank in vielen Bereichen keinen Sinn und hindern uns an einer effektiven Abwicklung des Förderauftrags.
Der österreichische Tourismus ist stark emotional aufgeladen, zugleich hochpolitisch. Wie gelingt es Ihnen, wirtschaftliche Rationalität in ein System einzuführen, das oft von regionalen Interessen geprägt ist?
Ganz gemäß unseres Credos: Wir fördern die Begeisterung für modernen und verantwortungsbewussten Tourismus – dafür sind wir die erste Anlaufstelle in Österreich. Für die heimischen Tourismus-KMU sind wir eine verlässliche Partnerin für die Realisierung touristischer Lebensträume. Und genau das vermitteln wir auf allen Ebenen. Wir sind kein politischer Spielball, sondern Möglichmacherin aus Leidenschaft für die Branche. Dabei überzeugen wir mit unserem Know-how und einer sachorientierten Herangehensweise.
Zur Person
Andrea Sassen-Abfalter absolvierte das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach dem Abschluss des Gerichtsjahres und der Tätigkeit in einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei startete sie ihre Bankkarriere in der UniCredit Bank Austria AG, wo sie mit mehreren Führungsfunktionen betraut wurde. Parallel dazu absolvierte sie diverse Ausbildungen und Lehrgänge im In- und Ausland.
2018 übernahm sie dann die Leitung der Abteilung Legal & Compliance in der OeKB AG. Dort zeichnete sie für sämtliche rechtliche und regulatorische Anforderungen der OeKB KI-Gruppe verantwortlich. Die Juristin war langjähriges Aufsichtsratsmitglied der OeHT und hält weiterhin einige Aufsichtsratsmandate im Bereich des Energiemarktes. Darüber hinaus engagiert sie sich im Mentoring und rund um Themen wie Female Leadership und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Foto: OeHT/David Sailer