Mag. Alexandra Ballaun. Seit fast drei Jahrzehnten im HR von Ankerbrot, erzählt Sie, wie innovative Initiativen von Lehrlingsförderung bis „Erfahrene Semester“ den Fachkräftemangel abfedern und warum soziale Verantwortung dabei der Schlüssel ist.
Die demografische Entwicklung verändert den Arbeitsmarkt rasant. Wie begegnet Ankerbrot dem wachsenden Fachkräftemangel, insbesondere im Filialbereich?
Der Fachkräftemangel im Filialbereich ist längst Realität – und die demografische Entwicklung verstärkt diesen Trend. Wir reagieren darauf mit einer breiten Recruiting-Strategie: Wir sprechen Lehrlinge, Quereinsteiger und gezielt auch Pensionisten an. Gleichzeitig investieren wir in Ausbildung, Weiterbildung und attraktive Arbeitsbedingungen, damit Mitarbeitende langfristig unserem Unternehmen erhalten bleiben. Unser Ziel ist es nicht nur, offene Stellen zu besetzen, sondern Perspektiven zu schaffen, die binden und motivieren.
Sie setzen zunehmend auf kreative Recruiting-Ansätze. Können Sie uns mehr über Ihre Erfahrungen mit Community Recruiting und Lehrlings-Initiativen erzählen – was funktioniert besonders gut?
Community Recruiting bedeutet für uns, gezielt auf Netzwerke zuzugehen, die wir über klassische Kanäle kaum erreichen würden. Ein besonders erfolgreiches Projekt war das interkulturelle Onboarding: Dabei haben wir mit einem Kooperationspartner zusammengearbeitet, der selbst seine Lehre bei uns absolviert hat und später sehr erfolgreich ein eigenes Unternehmen aufgebaut hat.
Durch seine persönliche Geschichte und seine Verwurzelung in der Community konnte er Türen öffnen, die uns sonst verschlossen geblieben wären. Gerade Menschen, die stark in ihrer eigenen Community leben, reagieren selten auf ein anonymes Stelleninserat – wenn aber jemand aus ihrem Umfeld den Kontakt herstellt, entsteht sofort eine Vertrauensbasis. Das erleichtert nicht nur den Einstieg, sondern schafft auch die Grundlage für eine erfolgreiche Integration im Unternehmen.
Auch bei unseren Lehrlings-Initiativen setzen wir auf gezielte Kooperationen und persönliche Ansprache. Derzeit arbeiten wir mit Cape 10 und dem SOS-Kinderdorf zusammen, um junge Menschen für eine Lehre zu gewinnen. Diese Bewerberinnen und Bewerber profitieren von einer starken Unterstützung und Betreuung durch die Institutionen und bringen einen großen Ansporn mit, eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu absolvieren.
Natürlich nutzen wir auch klassische Kanäle wie Stelleninserate im Lehrlingsfolder, aber für viele Bewerbungen ist Mundpropaganda ausschlaggebend – gerade weil wir persönliche Betreuung, Wertschätzung und eine vielfältige Ausbildung bieten. Dazu gehört auch unsere eigene E-Learning-App, die das Lernen flexibel und modern gestaltet. Der Erfolg spricht für sich: So sind beispielweise im Filialbereich alle Lehrstellen für den kommenden September bereits besetzt – ein klarer Beleg dafür, dass unsere Recruiting-Maßnahmen wirken.
„Das Soziale ist für uns kein Zusatz, sondern ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmenskultur.“
Mit der Initiative „Erfahrene Semester“ sprechen Sie gezielt Pensionisten an. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Schritt zu gehen und welche Resonanz erleben Sie bislang vonseiten der Bewerberinnen und Bewerber?
Bei ANKER gehen wir die verschiedensten neue Wege, um dem Fachkräftemangel zu begegnen – und wir setzen dabei bewusst auch auf die Erfahrung von Senioren. Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Vollpension haben wir das innovative Recruitingmodell ‚Erfahrene Semester‘ entwickelt. Es richtet sich gezielt an aktive Pensionisten bietet flexible Jobs, geht auf individuelle Bedürfnisse ein und ermöglicht den Einstieg in unsere Filialteams.
Dabei geht es uns nicht nur darum, offene Stellen zu besetzen. Mit unserer Initiative „Erfahrene Semster“ schaffen wir auch echten Generationendialog und leisten einen Beitrag gegen Altersarmut und Einsamkeit. Die Resonanz ist erfreulich groß: Wir haben bereits zahlreiche Bewerbungen erhalten und einige Pensionisten erfolgreich eingestellt.
Entscheidend ist, die Aufgaben im Filialalltag sehr konkret zu erklären, damit Bewerber realistisch einschätzen können, ob die vielseitige, teilweise auch körperlich fordernde Tätigkeit zu ihnen passt. Die beruflichen Hintergründe sind sehr unterschiedlich, und genau das macht diese Zielgruppe spannend – viele bringen wertvolle Erfahrung, Verlässlichkeit und eine besondere Kundenorientierung mit. Einige Bewerbungen leiten wir auch direkt an die Vollpension weiter. Die Initiative zeigt, wie Generationenvielfalt, gesellschaftliche Verantwortung und unternehmerischer Erfolg Hand in Hand gehen können.
„Bei ANKER gehen wir die verschiedensten neue Wege, um dem Fachkräftemangel zu begegnen – und wir setzen dabei bewusst auch auf die Erfahrung von Senioren.“
Stichwort Generationendialog: Welche Vorteile entstehen aus Ihrer Sicht, wenn Lehrlinge und Pensionisten gemeinsam in einem Team arbeiten?
Da entsteht ein echter Mehrwert: Jüngere bringen neue Perspektiven und aktuelles Fachwissen aus ihrer Ausbildung ein, ältere Kolleginnen und Kollegen steuern langjährige Erfahrung und Gelassenheit bei. Dieser Austausch fördert nicht nur das Fachliche, sondern schafft auch ein starkes soziales, respektvolles Miteinander, das gesellschaftlich immer wichtiger wird.
In den Familien gibt es häufig kaum noch Kontakt zwischen den Generationen. Umso wertvoller ist es, wenn dieser im Arbeitsalltag wieder entsteht. Für Lehrlinge ist es oft sehr hilfreich, jemanden im Team zu haben, der sie geduldig begleitet – und umgekehrt ist es für die ‚Erfahrenen Semester‘ ein echtes Erfolgserlebnis, wenn sie von den jungen Kollegen Neues lernen. So entsteht nicht nur ein beidseitiger Wissenstransfer, sondern auch ein Miteinander, das Brücken zwischen den Generationen baut.
Wie wichtig ist Ihnen persönlich das S in ESG, also der soziale Aspekt unternehmerischer Verantwortung? Und wie verankern Sie dieses Denken im HR-Alltag bei Ankerbrot?
Das Soziale ist für uns kein Zusatz, sondern ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Bei ANKER wollen wir ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Lebensphasen und Fähigkeiten ihren Platz finden – und in dem sie Wertschätzung erfahren. Dazu gehört auch der Ausgleich zwischen den Generationen. Wir alle wollen einen Arbeitsplatz, an dem wir gebraucht und geschätzt werden – und genau das ist unser Anspruch.
Dies unterstützen wir zum Beispiel über Führungskräfteseminare, die die unter anderem die Rolle als Vorbild herausarbeiten und stärken sollen, mit individuellen Coachings, verschiedenen Workshops und regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen. Gute Führung ist heute wichtiger denn je – denn sie ist der echte Mehrwert der Zukunft, wenn es darum geht, Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten und Menschen langfristig an ein Unternehmen zu binden.
Für mich persönlich ist klar: Wer soziale Verantwortung ernst nimmt, gewinnt nicht nur Mitarbeitende, sondern auch deren Loyalität und Engagement – und das ist ein großes Asset - menschlich wie wirtschaftlich.
„Der Fachkräftemangel im Filialbereich ist längst Realität – und die demografische Entwicklung verstärkt diesen Trend.“
Wenn Sie heute auf Ihre HR-Arbeit der letzten Jahre blicken: Welcher Moment war für Sie persönlich besonders prägend?
Die letzten Jahre waren bei Ankerbrot von großen Veränderungen und Herausforderungen geprägt, vor allem bedingt durch die Auswirkungen der Pandemie und die Übersiedlung unserer Großbäckerei von Wien nach Lichtenwörth. Dazu kommt der Aufbau unseres modernen Schulungszentrums für die Filialen in Wien. Ich bin unglaublich stolz auf mein Team, das all diese intensiven Phasen mitgetragen hat – und dabei stets offen für neue, kreative HR-Themen geblieben ist.
Prägend ist für mich ist nach 29 Jahren Ankerbrot kein einzelner Moment, sondern immer noch der enorme Zusammenhalt zwischen den Kolleginnen und Kollegen – und die Kraft, die daraus entsteht. Genau dieses Miteinander ist für mich die Basis, um auch in herausfordernden Zeiten gemeinsam und auch auf neuen Wegen voranzugehen.
Foto: ANKER/Katharina Schiffl