Gerda Weichsler-Hauer, Dritte Präsidentin des OÖ Landtags: Die Arbeit der Frauen muss honoriert werden

Die Dritte Präsidentin des OÖ Landtags über die hohe Arbeitslosigkeit, Direkthilfe für Betroffene und einen Mindestlohn für Frauen in systemerhaltenden Berufen.

 

Welche Folgen der Corona-Krise fürchten Sie am meisten für Ihr Bundesland? 

Ich erwarte mir, dass der wirtschaftliche Aufschwung auf sich warten lässt und die Arbeitslosigkeit noch länger hoch bleibt oder gar weiter ansteigt.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Herausforderungen?

Für die abrupt arbeitslos gewordenen Menschen muss noch mehr getan werden, etwa durch eine Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 70% anstatt 55%. Viele haben finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen. Durch das Schrumpfen der Wirtschaft kommen auch die öffentlichen Haushalte, insbesondere die der Gemeinden unter Druck. Die Gemeinden sind am nächsten am Bürger dran; sie stellen die Daseinsversorgung und sorgen für Lebensqualität. Sie sind aber stark von den an der Anzahl der Beschäftigten bemessenen Kommunalsteuern abhängig.

Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Vorgehen der Regierung und den Maßnahmen, die zur Unterstützung der Menschen eingeleitet wurden? Gibt es spezielle Forderungen und Wünsche seitens des Landes Oberösterreich?

Es fehlt in OÖ ein Hilfspaket direkt für die Menschen, wie es die SPÖ beantragt hat und von ÖVP und FPÖ vertagt wurde. Durch Direkthilfen an die Betroffenen wie Arbeitnehmer, Unternehmer oder Künstler würde direkt die Kaufkraft gestärkt, so dass die Konjunktur nicht ganz zusammenbricht. Begleitet mit Investitionen in langfristige Werte wie Schulbau oder Internet-Ausbau gibt das der Konjunktur nützliche Impulse, die sie dringend braucht.

Wie verlief Ihr Arbeitsalltag während des Lockdowns?

Auch ich habe vieles in Home-Office erledigt und anfangs nur wöchentlich mein Büro im Landhaus aufgesucht, um die eingegangene Post zu erledigen. Die Kommunikation und laufende Abstimmung ist mehr geworden und konnte per Telefon, Emails und Videoschaltungen zufriedenstellend erledigt werden. Die tägliche politische Arbeit musste ein wenig in den Hintergrund treten, da Krisenmanagement im Vordergrund stand. Gleichzeitig war, wie für viele Betroffene auch, die tägliche Versorgung meines Umfeldes zu organisieren.

Was empfehlen Sie Frauen, die von der Krise betroffen sind?

In meiner Erinnerung ist mir kein Ereignis bekannt, dass so sehr aufgezeigt hat, wie unverzichtbar Frauen in der täglichen Arbeit im Gesamtsystem sind. Sie kümmern sich um die Grundversorgung, haben die anstehenden Tätigkeiten für ihr Unternehmen im Homeoffice erledigt und gleichzeitig für die Bildung und Betreuung ihrer Familien gesorgt, sie haben, wenn notwendig, die Pflege für ältere Angehörige übernommen. Die Pandemie hat gezeigt, wie viel Frauen in systemerhaltenden, aber oft schlecht bezahlten Berufen tätig sind. Für all das gab es jeden Tag Applaus durch die Öffentlichkeit. Jetzt ist der Zeitpunkt, diese Leistungen auch monetär zu honorieren und den schon längst überfälligen Mindestlohn von € 1.700,-- umzusetzen. Die Frauen haben das Recht, diese bessere Bezahlung auch einzufordern

Der Ruf nach mehr Homeoffice-Arbeit unter dem Titel „bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ wird jetzt lauter. Die letzten Wochen haben deutlich aufgezeigt, dass gewohnte Arbeitsabläufe auch anders gestaltet werden können.  Den Arbeitsplatz zum Teil auch nach Hause zu verlagern, kann der Wirtschaft aber auch der öffentlichen Hand Kosten ersparen.  Für Arbeitnehmer können sich ebenfalls Vorteile ergeben, weil man sich zum Beispiel das Pendeln erspart. Hier ist trotzdem höchste Vorsicht geboten! Ohne gesetzliche und kollektivvertragsrechtliche Regelungen geht das zu Lasten der Frauen aus. Ich sehe auch die Gefahr, dass es zu einem „backlash“ bei den Geschlechterrollen kommt, und die unbezahlte Care-Arbeit in der Familie wieder vermehrt Frauensache wird. 

Frauen sollten jede Hilfe, die geboten wird, auch in Anspruch nehmen. Die Kosten dieser Krise können aber die Frauen nicht alleine tragen. Da müssen wir zusammenhelfen!

Foto: Bruckner Uni


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