Dr. Barbara Kolm, Leiterin Friedrich A. v. Hayek Institut: Droht uns ein Wrtschaftskollaps mit Zusammenbruch des Währungssystems?

Dr. Barbara Kolm. Die Wirtschaftswissenschafterin und ehemalige Vizepräsidentin des Generalrats der Oesterreichischen Nationalbank ist Leiterin des Friedrich A. v. Hayek Instituts.

 

Lesen Sie hier, was sie zu wichtigen Themen wie Inflation, Intervention und Inflation zu sagen hat.

 

Wie lange werden wir noch mit einer hohen Inflation rechnen müssen?

Kurzfristig wird es davon abhängen, ob Österreich in eine Rezession schlittert oder nicht. Im Falle einer Rezession ist davon auszugehen, dass die Inflation stark sinkt oder gar eine Deflation eintritt. Diese Möglichkeit ist nicht zu vernachlässigen. Mittelfristig ist jedoch, möglicherweise sogar für die nächsten Jahre, mit höherer Inflation zu rechnen.

Die Gründe sind Folgende: erstens ist von einer neuen Phase der geldpolitischen Lockerung auszugehen - die EZB spricht bereits von baldigen Leitzinssenkungen. Wie stark diese geldpolitische Lockerung ausfällt, wird sowohl von der Wirtschaftsentwicklung als auch von eventuellen Problemen bei der Finanzierung der staatlichen Schulden abhängen. Zweitens sorgt die zunehmende Regulierung für einen Produktivitätsverlust, der zu höheren Preisen führen wird.

Drittens werden die Preise auch durch eine zunehmende De-Globalisierung ansteigen. Viertens sorgt die Alterung der Gesellschaft für ein geringeres Güterangebot, weil weniger Menschen arbeiten, bei einer gleichzeitig höheren Güternachfrage. All das macht es wahrscheinlich, dass wir uns auf absehbare Zeit auf hohe Inflationsraten einstellen müssen.

Ist es möglich, die wirtschaftspolitischen Interventionen in Österreich und Europa ohne größere Schäden für die Wirtschaftsstandorte und die Bevölkerung zu beenden?

Jede größere Anpassung ist mit Unsicherheiten verbunden. Zu erwarten ist, dass bei einem Ende der wirtschaftspolitischen Interventionen kurzfristig zahlreiche Unternehmen vor Probleme gestellt werden, die auch mit Insolvenzen verbunden sind. Das betrifft insbesondere diejenigen Unternehmen, die von wirtschaftspolitischen Interventionen profitieren, also primär im staatsnahen Sektor.

Es ist jedoch zu beachten, dass sich ohne Interventionen zahlreiche neue Möglichkeiten für alle Marktteilnehmer ergeben, und dass deshalb Ressourcen so alloziert werden, die der Konsumentennachfrage besser entsprechen. Insofern findet durch ein Ende wirtschaftspolitischer Interventionen eine Art schöpferische Zerstörung statt, an deren Ende die Produktion den Bedürfnissen der Konsumenten besser entspricht als zuvor.

Wie lange signifikante Probleme durch die Anpassungen auftreten, hängt von den ungehinderten Anpassungen und dem Ausmaß an Interventionen ab. Bei einem vollumfänglichen Ende wirtschaftspolitischer Interventionen ist davon auszugehen, dass Anpassungen sehr schnell - innerhalb einiger Monate - vonstatten gehen und deshalb größere Schäden verhindert werden können. Mittelfristig sind Produktivitätssteigerungen und Anpassungen an die Bedürfnisse der Konsumenten zu erwarten.

Ihre Meinung zu den Maßnahmen und der Rolle der EZB?

Die EZB, als deren Vorbild lange Zeit die deutsche Bundesbank genannt wurde, wird in vielen Bereichen ihrem Mandat und Zielen nicht mehr gerecht. Schlimmer noch: Es wird in vielen Situationen wahrscheinlich gegen das vorrangige Ziel der Preisstabilität verstoßen (Artikel 127 Absatz 1 AEUV). Dort ist u.a. geregelt, dass andere Ziele nur dann verfolgt werden dürfen, wenn sie das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigen.

Wenn die EZB dennoch Ziele verfolgt, die zumindest potenziell die Preisstabilität gefährden, ist das bedenklich. Darunter fällt die Null-Zinspolitik, die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise, die Euro-Rettung („whatever it takes”), die Stimulierung der Wirtschaft und nun die Klimarettung – im Gewand der Green Finance. All diese Ziele wurden und werden offensichtlich als der Preisstabilität übergeordnete Ziele behandelt, weshalb sie Artikel 127 Absatz 1 AEUV widersprechen könnten. Abgesehen von der juridischen Komponente wirken viele Maßnahmen der EZB kurz- bis mittelfristig wegen der Zerstörung von Anreizen volkswirtschaftlich kontraproduktiv.

Ein unverantwortlicher Umgang mit Risiken in vielen Bereichen der Finanzwirtschaft und die “too big to fail”-Problematik sind zwei der evidenten Auswirkungen verfehlter Maßnahmen. Darüber hinaus führen Überregulierung und überbordende Compliance-Regeln zu Produktivitäts- und Wachstumsverlusten im Sektor.  Insofern wäre eine kritische Diskussion sowohl über die Rolle als auch die Aufgaben der EZB nach mehr als zwei Jahrzehnten angebracht.

Ist eine Wirtschaftskrise noch zu verhindern? Wie gefährdet ist der Euro?

Nein. Eine Wirtschaftskrise auf nationaler Ebene ist eine Zeit, in der wirtschaftliche Fehlentscheidungen der Vergangenheit korrigiert werden. Das ist auch notwendig, damit wirtschaftliche Produktion den Bedürfnissen der Konsumenten entspricht. In den vergangenen 15 Jahre wurden durch Verzerrung der Preissignale als Folge expansiver Geldpolitik zahlreiche Fehlentscheidungen getroffen, die früher oder später korrigiert werden müssen.

Erstens weil die Produktivität immer weiter abnimmt und zweitens die Produktion an den Bedürfnissen der Konsumenten vorbei geht. Aber diese Korrektur - und damit die Wirtschaftskrise - kann durch expansive Geldpolitik und Staatshilfen viele Jahre lang hinausgeschoben werden. Allerdings ist dieses Hinausschieben (kick the can down the road) für Konsumenten und Steuerzahler extrem teuer und mit steigendem Inflationsdruck verbunden. Das größte Problem ist, dass sich die zu korrigierenden Fehlentscheidungen akkumulieren und deshalb die hinausgeschobene Krise umso stärker ist, je länger Korrekturen verhindert werden.

Angesichts einer 15 Jahre langen stark expansiven Geldpolitik, die schon davor etwaige Korrekturen nur in sehr begrenzten Rahmen zugelassen hat, gibt es zwei mögliche Szenarien: Entweder folgt die Wirtschaft dauerhaft nicht mehr den Konsumenteninteressen und wird durch zunehmende Produktivitätseinbußen und inflationären Druck dysfunktional. Das würde zu einem völligen Wirtschaftskollaps führen, der möglicherweise mit einem Zusammenbruch des Währungssystems einhergeht. Oder, wenn Korrekturen in vollem Ausmaß zugelassen werden, ist mit einer starken Wirtschaftskrise zu rechnen, weil Fehlentscheidungen, die sich über viele Jahre akkumuliert haben, korrigiert werden müssen.

Obwohl beide Szenarien äußerst unerfreulich sind, ist das Zulassen einer umfassenden Korrektur der bessere Weg, weil er mit geringeren Schäden für die Bevölkerung einhergeht. Der Euro wäre in beiden Szenarien gefährdet. Bedauerlicherweise ist davon auszugehen, dass der erste Weg eingeschlagen wird, weil so das Scheitern länger hinausgezögert werden kann und die Verantwortung für das Scheitern der Politik auf andere Akteure abgeschoben werden kann.

Foto: Sabine Klimt


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