So können sich Unternehmen für die Pleitewelle rüsten

Umsatzeinbrüche, inkulante Vermieter, unzureichende Förderungen – die Liquiditätssorgen von Österreichs Unternehmen werden immer größer. „Niemand sollte sich zu sehr auf den Staat oder die Kulanz der Banken verlassen. Ich rate derzeit nicht nur angeschlagenen, sondern auch soliden Betrieben zum Aufbau von Liquidität. Denn bei der unausweichlichen Konsolidierungswelle wird es gute Gelegenheiten zu Akquisitionen geben“, erklärt Experte Peter Androsch. In den Lieferforderungen und Verbindlichkeiten schlummert oft ungeahntes Cash-Potential. 

(26.01.2021) „Bankkredite sind aufgrund der Nullzinspolitik der EZB zwar historisch günstig, aber diese muss man aufgrund des unsicheren Umfelds erst einmal bewilligt bekommen und in weiterer Folge natürlich auch abstottern“, mahnt Peter Androsch, Geschäftsführer von Österreichs führender Kreditversicherungsmaklergesellschaft A.C.I.C. Bei Liquiditätssorgen sollten die Unternehmen daher nicht immer sofort reflexartig an die Aufnahme neuer Kredite denken, denn dadurch werde die Misere nur noch größer. Vor allem bei Unternehmen, die weiter relativ solide Umsätze generieren, schlummert in den Bilanzen oft Liquiditätspotenzial, dem in der Praxis meist viel zu wenig Beachtung geschenkt wird: die Lieferforderungen.

Liquiditäts-Potenzial in der eigenen Bilanz heben

Bei KMU entfallen im Schnitt mehr als 20 Prozent der Bilanzsumme auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Damit sind diese die größte Einzelposition auf der Aktivseite der Bilanz. Alle Unternehmen, die ihren Kunden laufend Zahlungsziele einräumen, tragen daher ein besonders hohes Risiko für Zahlungsausfälle, das daher unbedingt abgesichert werden muss. Umgekehrt ist derzeit in einigen Branchen schon einiges an Geschick notwendig, um von den Kreditversicherern noch neue Deckungszusagen zu bekommen. 

Bewährtes Mittel, um den Kreislauf am Laufen zu halten

„Probieren Sie einmal in der Textilbranche eine neue Kreditversicherung zu bekommen. Das ist derzeit bereits eine enorme Herausforderung“, erzählt Androsch. Wobei die Textilbranche nur die Spitze des Eisbergs ist. Anders ist die Situation hingegen in der Industrie, der Lebensmittelbranche und anderen Wirtschaftszweigen. Dort ist die Absicherung der Lieferforderung gegen Zahlungsausfälle weiterhin möglich. Das wird auch rege genutzt, weil es ein bewährtes Mittel ist, um das Risiko für die Unternehmen massiv zu begrenzen und dadurch den Wirtschaftskreislauf am Laufen zu halten. 

Bilanz verkürzen und Eigenkapitalquote erhöhen

„Wer eine Kreditversicherung abgeschlossen hat, kann im zweiten Schritt seine Forderungen laufend oder einmalig an Factoring-Banken übertragen und bekommt dafür sofort Geld. Sollte der Kunde die vom Unternehmen an die Bank übertragenen Forderungen nicht begleichen können, springt die Versicherung ein“, erklärt der Experte. Die durch den Forderungsverkauf generierte Liquidität kann in weiterer Folge unter anderem zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten genützt werden. Das verkürzt die Bilanz, erhöht die Eigenkapitalquote und verbessert die Bonität. 

Waren auf Ziel kaufen und trotzdem Skonto nützen

Ein ähnliches Prinzip zur Liquiditätsgenerierung kann auch beim Einkauf von Waren genutzt werden. „Die Unternehmen bezahlen dabei ihre Waren wie gewohnt erst rund 60 Tage nach der Lieferung. Trotzdem können sie alle im aktuellen Niedrigzinsumfeld besonders attraktiven Skonti und Sofortzahlungsrabatte nutzen, weil eine Factoring-Bank das Geld vorstreckt und die Lieferanten sofort bezahlt. Eine Win-Win-Situation für alle Seiten“, rechnet der Experte vor.

Bei Unternehmen mit hohen Lagerbeständen sollte zudem auch eine Lagerfinanzierung geprüft werden, weil dadurch weiteres Umlaufvermögen in Liquidität verwandelt werden kann. „Cash ist King. Wer jetzt möglichst viel davon aufbaut, der wird bei der sich anbahnenden Konsolidierungswelle nicht nur viele Übernahme-Gelegenheiten vorfinden, sondern diese auch tatsächlich nützen können, denn damit werden Finanzierungslinien frei für langfristige Engagements“, zeigt sich Androsch pragmatisch. 

Foto: ©A.C.I.C./Nadja Nemetz

 


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