Marion Eppinger, HR-Passionista: Die Mitarbeiterbindung wird zu einer großen Herausforderung

Die Vollblut-Personalerin kann auf mehr als 15 Jahre nationale und internationale HR-Erfahrung zurückblicken. Im ABW-Interview wirft sie einen Blick hinter die Kulissen.

 

„Ich schätze die Zusammenarbeit mit Menschen und die Möglichkeit, sie in Ihrer Entwicklung zu begleiten und damit Unternehmen langfristig und nachhaltig zu unterstützen. Die Vielfalt an Aufgaben wie Talente finden, binden und weiterzuentwickeln, machen es für mich zu einem der spannendsten Bereiche in einem Unternehmen. Es geht immer um Menschen und das heißt, es sind immer Emotionen im Spiel – somit ist kein Tag wie der andere“, beschreibt Marion Eppinger ihre Faszination am HR-Bereich. 

Mitarbeiterbindung ist eine Herausforderung

Derzeit agiere man gerade in einem Bewerbermarkt, das heißt für Unternehmen, sie müssen um Bewerber werben. Da diese meist mehr als ein Stellenangebot vorliegen haben, gilt es für Unternehmen, sich von der Konkurrenz abzuheben und schnell sowie effizient auf Bewerbungen zu reagieren. „Manche Unternehmen haben es sich sogar zum Ziel gesetzt, Einstellungszusagen innerhalb von fünf Werktagen ab Bewerbungseingang zu geben. Das ist sportlich, aber entspricht durchaus der Schnelligkeit des Arbeitsmarktes“, so die HR-Expertin. 

Aktuell ist es laut Brancheninsider für Unternehmen schwieriger, denn je die passenden Mitarbeiter zu finden. Diese dann auch langfristig zu behalten, ist nochmals eine ganz andere Herausforderung. Wie allseits bekannt, bleiben zufriedene und engagierte Arbeitnehmer länger und werden am besten durch offene und klare Kommunikation im Unternehmen erreicht: Mitarbeiter wollen verstehen, wohin das Unternehmen sich entwickelt und welche Erwartungen dadurch an sie gestellt werden. Entwicklungsmöglichkeiten, gelebte Wertschätzung und Anerkennung, bedürfnisorientierte Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung sowie der Arbeitsort tragen maßgeblich zur Zufriedenheit bei.

„Eine Kultur, die Zielerreichung und nicht Anwesenheit misst. Daraus resultierend gelingt es Mitarbeitern ihre Work-Life-Balance besser zu managen und Freizeit, Zeit für Familie, Pflege etc. besser unter einen Hut zu bekommen. Je mehr man Mitarbeiter darin unterstützt, das Leben selbst zu managen, desto eher fühlen sie sich wahrgenommen und bleiben somit länger im Unternehmen. Auch Teamarbeit und positiver sozialer Zusammenhalt sind ein essenzieller Bestandteil der Arbeitskultur und binden Mitarbeiter ans Unternehmen“, sagt Eppinger und betont in diesem Zusammenhang auch die Wichtigkeit einer guten Unternehmenskultur. Denn wer wolle schon in einem Unternehmen arbeiten, in dem die Arbeitsmoral niedrig sei und jeder Arbeitstag große Überwindung koste? Wenn die Kultur die Werte und Ziele eines Unternehmens authentisch widerspiegle, dann sei das motivierend. Wenn Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen identifizieren können, dann sei die Wahrscheinlichkeit der Bindung recht hoch. 

Die Digitalisierung ist im HR-Bereich noch nicht angekommen

„Ein Großteil der Betriebe hat noch immer kein digitales HR-Tool und die HR-Leader stecken oft bis zum Hals im Administrations-Wahnsinn“, weiß die Unternehmensberaterin. In Österreich habe man in diesem Bereich noch viel Arbeit vor sich.

„HR-Prozesse wie Vertragsmanagement oder Gehaltsabrechnung sind wichtig und müssen gut funktionieren, aber es wäre essentiell, den HR-Teams moderne Tools zur Verfügung zu stellen, damit ein Fortschritt passiert. Die Digitalisierung und in weiterer Folge auch KI haben ein unglaubliches Potenzial in der HR-Welt, besonders, wenn man an Prozesse oder das Recruiting denkt.“ Zurzeit sei die Nutzung von KI in den Köpfen der Östereicher noch negativ behaftet und die Menschen würden Chat GPT mehrheitlich heimlich still und leise nutzen, um beispielsweise Recruiting-Texte zu verfassen. „Ich sage ganz klar: Da geht noch mehr! Die Haltung zur neuen Welt des Arbeitens muss sich ändern. Aber davor gibt es noch viel zu tun.“ 

Etwa das Auswerten und Nutzen der Daten, die im Unternehmen gesammelt werden. Unternehmen sammeln täglich Millionen von Informationen, die nicht genutzt werden oder leicht abrufbar sind, wie z.B. Demografische Merkmale, Arbeitszeiten, Urlaubsanträge, Krankenstände, Recruitment-Kennzahlen (z.B. Anzahl der Bewerbung – Quantität vs. Qualität) oder auch Fluktuation – daraus könnte man unglaublich viel herauslesen. Diese Informationen würden helfen, bessere Entscheidungen zu treffen.

„Im Moment leben wir in einer Zeit, wo vier Generationen in der Arbeitswelt aufeinander treffen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Hier auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen und Maßnahmen zu setzen, um ein generationenübergreifendes Management zu ermöglichen, ist eine große Herausforderung“, so Marion Eppinger. Auch Upskilling seien ein essentielles Thema: gewisse Berufe werde es zukünftig nicht mehr geben, aber viele neue werden entstehen. „Um langjährige Mitarbeiter weiterhin halten zu können, werden Weiterentwicklung sowie Umschulungen benötigt. Darauf müssen Unternehmen und Arbeitnehmer vorbereitet sein. Die Globalisierung ermöglicht es uns nun von überall aus zu arbeiten, daher müssen remote Arbeitspraktiken unter klar definierten Rahmenbedingungen ausgebaut und mehr forciert werden.“ 

Gemeinsam mehr erreichen

Und welchen Rat gibt die Expertin Frauen, die eine Karriere im HR-Bereich anstreben? „HR ist weiblich, wir brauchen aber unbedingt Frauen, die das auch nach außen repräsentieren. Wenn man sich als Frau einen Beruf mit viel Gestaltungsmöglichkeiten und eigenem Schaffen wünscht, dann ist man in der HR richtig. Denn mit dem richtigen Selbstbewusstsein kann man hier wirklich etwas bewegen. Aber ich rede hier nichts schön: oft werden wir in Unternehmen noch immer nicht als gleichwertige Business-Partner wahrgenommen. Hier müssen wir Fähigkeiten und Fachwissen aktiv einbringen, uns mehr zutrauen und uns dabei für Chancengleichheit sowie Diversität einsetzen, denn hier besteht eindeutig noch Handlungsbedarf in Österreich. In der aktuellen Arbeitswelt bringt eine Frontkämpferin aber alleine leider noch nicht den gewünschten Fortschritt, den sich alle Beteiligten erhoffen. Meine Empfehlung ist, sich Verbündete zu suchen, mit denen man gemeinsam etwas bewegen kann. Abschließend bleibt zu sagen, dass eine Karriere im HR-Bereich bunt wie ein Regenbogen ist, kein Tag gleicht dem anderen und es gibt viel zu tun sowie den Wunsch nach Veränderung. Aber das schaffen wir nur gemeinsam.“

Zur Person

• 15 Jahre nationale & internationale HR Erfahrung

• Studium Personal Management – University of Huddersfield

• über 10 Jahre Führungserfahrung

• Passion für HR, Menschen und die neue Welt des Arbeitens

• Unternehmensberaterin, Coach & Trainerin

Foto: Stefanie Waldecker/www.macherin.at


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