Dr. Susanne Baumann-Söllner, Direktorin des Austria Center Vienna: "Wir haben europaweite Maßstäbe gesetzt"

Die Corona-Pandemie hat für einen Stillstand der Kongressbranche gesorgt. Tröstlich: Jetzt geht es langsam wieder aufwärts.

 

Die wirklich großen Veranstaltungen mit mehreren Tausend Teilnehmern werden ab dem kommenden Jahr wieder stattfinden, sagt die Direktorin des Austria Center Vienna, Mag. Dr. Susanne Baumann-Söllner, im ABW-Interview.

Die Zukunft der Kongresse werden Hybridveranstaltungen sein, sagten Sie in unserem letzten Interview. Wie sieht es diesbezüglich mit den Fortschritten des Modernisierungskonzeptes aus?

Die neuen virtuellen Formate werden den klassischen Kongress vor Ort niemals ersetzen, weil der persönliche Kontakt für das Netzwerken und praktische „Hands On-Workshops“ unerlässlich ist. Die sogenannten Hybridveranstaltungen bieten in naher Zukunft eine hervorragende Möglichkeit, die Balance zwischen „Kongressfeeling“ und möglichst vielen internationalen Teilnehmern zu schaffen.

Alle großen Säle bei uns wurden mittlerweile mit Kamerasystemen ausgestattet, um Vorträge live zu streamen. Besonders große Bedeutung kommt unserem neuen virtuellen Studio zu, wo Diskussionsformate mit Live-Zuschaltungen von Gästen, Podiumsdiskussionen, Pressekonferenzen, Produktpräsentationen und Live-Abstimmungen realisiert werden können.

Das Studio ist in einem Saal integriert, dadurch können Veranstaltungsteilnehmer vor Ort UND virtuell gleichzeitig teilnehmen. Durch die Auswahl zwischen einer riesigen LED-Wall und einem Green Screen sind die Möglichkeiten grenzenlos und die Ergebnisse sehr beeindruckend! 

Ab wann werden Sie damit starten, wieder große internationale Kongresse nach Wien zu holen?

Internationale Kongresse haben eine Vorlaufzeit von mehreren Jahren, daher waren und sind wir natürlich auch während der Pandemie mit vollem Einsatz dabei, internationale Kongresse nach Wien zu holen. In Zusammenarbeit mit dem Vienna Convention Bureau konnten wir unlängst zwei medizinische Kongresse für Muskelforschung und Pathologie für die Jahre 2024 und 2025 gewinnen.

Aber auch noch heuer werden medizinische Kongresse bei uns stattfinden – allerdings mit reduzierter Teilnehmerzahl und starkem Fokus auf virtuelle Inhalte. Es startet mit einem rein virtuellen Neurologenkongress im Juni, gefolgt von bis zu 400 Biophysikern im Juli und sogar bis zu 1.000 Teilnehmern beim Kongress der Schönheitschirurgen im September.

Die wirklich großen Kongresse mit mehreren Tausend Teilnehmern erwarten wir erst ab dem kommenden Jahr. 2022 haben wir bereits 10 Kongresse in unseren Büchern stehen, die gesamte Veranstaltungsbranche kann es kaum erwarten, endlich wieder nach Wien zu kommen!

Welche Sicherheitskonzepte gibt es für die Teilnehmer?

Wir haben bereits in den ersten Monaten der Pandemie umfassende Hygienekonzepte ausgearbeitet. Diese kommen skalierbar in Österreichs größtem Test- und Impfzentrum zum Einsatz, welches wir derzeit im Auftrag der Stadt Wien beherbergen.

Die Erfahrungen aus den letzten Monaten in der Planung und Logistik können wir wiederum direkt für die Organisation von Veranstaltungen nutzen. In zentralen Fragen zu Wegleitung, Zeitslots, Möblierung mit Mindestabständen oder Schnelltests direkt vor der Veranstaltung traue ich mir zu behaupten, dass wir sogar europaweit Maßstäbe setzen. Wir garantieren die höchstmögliche Sicherheit der Teilnehmer und bewerben dieses Thema auch international, da es auch in den nächsten Monaten und Jahren eine zentrale Bedeutung bei der Standortentscheidung für Großkongresse haben wird. 

Den Wienerinnen und Wienern wird das „Austria Center Vienna“ vor allem als zentrale Test- und Impfstelle in Erinnerung bleiben. Gibt es Pläne, das Haus den Bewohnern der Stadt künftig auch in anderen Bereichen zu öffnen?

Einerseits hat uns die Pandemie mit am härtesten getroffen, weil wir als Teil der Veranstaltungsbranche von einem auf den anderen Tag fast unser komplettes Kerngeschäft verloren haben. Durch unsere neue Aufgabe als Österreichs größtes Test- und Impfzentrum haben wir nun eine unglaubliche Bekanntheit und Wertschätzung durch die Wienerinnen und Wiener erfahren.

Es war und ist schon länger unser Ziel, das Austria Center Vienna für die heimische Bevölkerung zu öffnen – wie z.B. beim Spielefest, welches wir 2019 als Eigenveranstaltung wieder neu gestartet haben. Wir möchten diese neue Popularität innerhalb Wiens unbedingt nutzen, um zukünftig regelmäßige „Veranstaltungen für Alle“ anzubieten, in unterschiedlichen Themenbereichen wie Familie, Kultur, Kabarett, Kulinarik oder auch (E-)Sport und Bewegung. Wir beginnen gerade, unseren überdachten Vorplatz zu begrünen, dies kommt Veranstaltungsteilnehmern und Wienern gleichermaßen zugute. 

Der „Grüne Pass“ gilt für viele als Schlüssel zu Lockerungen und Erleichterungen – wie sollte die technische Umsetzung im Kongressbereich aussehen?

Wir sind selbst sehr gespannt auf den Grünen Pass, vor allem im Hinblick auf die damit verbundenen Reiseerleichterungen. Unser Kerngeschäft sind internationale Großkongresse, hierfür braucht es neben Planungssicherheit einen international einheitlichen Standard für Reisen in Bezug auf Impfen, Tests und mögliche Quarantäne.

Erst dann ist es wieder attraktiv, zu einem mehrtägigen Kongress ins Ausland zu reisen bzw. als Unternehmen auf der zugehörigen Fachmesse auszustellen. Der Nachweis vor Ort kann dann innerhalb der Administrierung erfolgen – ggf. ergänzt durch eine entsprechende Teststraße. Als Kongresszentrum wird für uns von zentraler Bedeutung sein, inwieweit die Impfung zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsregeln komplett ersetzen kann.

Denn nur dann können wir langfristig wieder eine Vollauslastung des Hauses mit rund 20.000 Teilnehmern erreichen. 

Foto: acv.at / Ludwig Schedl