Ingrid Felipe Saint Hilaire: Ich halte die Corona-Maßnahmen für eine Zumutung

Obwohl sie die Corona-Maßnahmen für eine Zumutung hält, ist sie mit der Arbeit der Regierung zufrieden. Nun gehe es darum, sich mit den Auswirkungen der Krise und grundlegenden Veränderungen auseinanderzusetzen.

 

Meine größte Sorge ist, dass wir aus der Krise nicht genügend lernen. Dass wir Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, nicht in unser zukünftiges Tun ausreichend einfließen lassen. Die Bewältigung der Krise hat uns alle in unseren Grund- und Freiheitsrechten beeinträchtigt und bereits bestehende Unterschiede in der Gesellschaft verschärft. Es ist Gebot der Stunde, dass wir unsere Schlüsse aus diesen Ereignissen ziehen, danach handeln und achtsam bleiben“, sagt Ingrid Felipe Saint Hilaire

Nachdem die Gesundheitskrise bis hierher erfolgreich gemanagt wurde, müssten nun die Auswirkungen ernsthaft und grundlegend angegangen werden. Die Regionalisierung der Wirtschaftskreisläufe zur Verringerung von globalen Abhängigkeiten sei genauso eine Aufgabe der Zukunft wie ein globales Begreifen und Wahrnehmen von weltweit Auftretenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie eine Pandemie, der Klimawandel oder auch soziale Gerechtigkeit. Diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, sei die Aufgabe von verantwortungsvoller Politik. 

Arbeit muss besser verteilt werden

„Eigentlich möchte ich gar nicht zurück, zu diesem normalen Arbeitsalltag von früher“, antwortet die Landeshauptmann-Stellvertreterin auf die Frage, wie lange es ihrer Meinung nach noch dauern werde, bis wieder Normalität in den Arbeitsalltag einziehen werde. „Einerseits gab es zu viele Überforderte, an der Grenze der finanziellen und mentalen Belastbarkeit, andererseits diejenigen, die keine Möglichkeit vorgefunden haben, einen relevanten Beitrag zum Gelingen unseres gesellschaftlichen Miteinanders zu leisten. Wir müssen Arbeit besser verteilen, damit alle davon gut leben können“, so die Grün-Politikerin. 

Rechtzeitig den Ernst der Lage erkannt

Obwohl rückblickend die drastischen Maßnahmen der Regierung für alle Menschen eine Zumutung waren, sei die Mission vorerst gelungen. Österreich habe gerade noch rechtzeitig den Ernst der Lage erkannt, entschlossen reagiert und könne jetzt hoffentlich fortgesetzt sehr rasch wieder persönliche Bewegungs- und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten bereitstellen.

Für die Maßnahmen und für die neuen Ansätze brauche es einen starken, verantwortungsbewussten Staat. „Momentan nehme ich wahr, dass sich die handelnden und verantwortlichen Akteurinnen und Akteure dieser zukunftsgestaltenden Verantwortung bewusst sind.“

Auch in Krisenzeiten immer im Landhaus

In ihrer Verantwortung als Landeshauptmannstellvertreterin von Tirol war Ingrid Felipe Saint Hilaire praktisch täglich, auch am Wochenende, an ihrem Arbeitsplatz im Tiroler Landhaus. „Der Terminkalender war leer, trotzdem gab es laufend Termine und Verpflichtungen, die ich wahrzunehmen hatte. Dabei galt es jeden Tag neue Erkenntnisse für die anstehenden Entscheidungen zu beachten und zu diskutieren, neue Problemstellungen zu lösen und selbstverständlich war auch die Kunst der organisatorischen Improvisation jeden Tag aufs Neue extrem gefragt. Und zu Hause war ich natürlich auch gefragt, aber meine Familie, meine Mutter und mein Sohn waren wie schon immer zuvor in meiner politischen Tätigkeit mein Hafen, meine Erdung, mein sicheres Zuhause.“ 

Verschaffen Sie sich Gehör

Nicht nur in der Krise, sondern auch wenn es nicht ganz so schwierig ist, empfehlt die Politikerin Frauen und Männern, auf ihre Intuition zu hören und sich Gehör zu verschaffen. „Wenn das Gefühl aufkommt, dass etwas nicht bewältigbar oder auch nicht akzeptabel ist, ist es geboten, dies zu artikulieren. Im besten Falle gelingen Formulierung und Tonalität so, dass das Bedürfnis Gehör findet. Jede Frau, jeder Mann hat ganz persönliche Wahrnehmungen, Erfahrungen, Ängste und auch Nöte. Und je ehrlicher und klarer man sich selbst erlaubt, diese zu formulieren, desto eher findet man Möglichkeiten, damit einen guten Umgang zu finden.“

Foto: Die Grünen