Mag. Timea Hipf: Mit Stehvermögen und mentaler Stärke erfolgreiche Start-Up-Gründerin

Mit 40 Jahren beendete sie ihren sicheren Job, wagte den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete das Bio-Snack-Start-Up Natural Crunchy.

 

Was Freunde und Familie dazu sagten und warum sie diesen Schritt nie bereut hat, erzählt Timea Hipf im ABW-Interview.

Wann und warum haben Sie den Entschluss gefasst, selbstständig zu werden?

Das erste Mal war 2008, als die Finanzkrise voll im Gange war und ich von meiner ersten Karenzzeit in die Marketingabteilung einer Bank zurückkehrte. Die Banken hatten einen schlechten Ruf aufgrund der Folgen der geplatzten Immobilienblase in den USA. Und obgleich die heimischen Banken dafür nichts konnten, mussten sie alle mit Staatshilfen gerettet werden. So haben sie zwar keine Mitarbeiter entlassen, aber Karenzrückkehrer konnten nur in Teilzeit arbeiten. So begann ich nebenbei für ungarische Produzenten Produkte zu entwickeln und in Europa zu vertreiben.

Über 40 Jahre alt, schwanger, sicheren Job aufgeben und Unternehmensgründung – wie hat Ihr Umfeld auf Ihren Entschluss reagiert?

Teils mit völligem Unverständnis und Teils mit Entsetzen. Natürlich wussten meine Kollegen und mein Arbeitgeber, dass ich „so eine Mini-Bio-Marke“ vorantreibe. Aber sie glaubten, es ist eine Art Hobby. 

Würden Sie Ihren Schritt in die Selbstständigkeit als sprichwörtlichen „Sprung ins kalte Wasser“ bezeichnen? 

Nein, es war gut überlegt. Der Job im Marketing war großartig. Ich habe es geliebt und ich hatte ein tolles Team, darunter auch gute Freunde. Aber in der Zwischenzeit war ich wieder Vollzeit eingestellt und habe für meine Firma jede Nacht, am Wochenende und im Urlaub gearbeitet. Ich musste eine Entscheidung treffen.

Daher schenkten mein Mann und ich mir zum 40. Geburtstag ein Jahr Sabbatical. Ich wollte herausfinden, wie gut meine Ideen und das Unternehmen funktionieren, wenn ich mich 100% darauf konzentriere. Ich gründete also meine EPU in ein GmbH um. Bereits nach wenigen Monaten war mir klar, wie viel ich schaffen kann, wenn ich die Firma nicht nebenbei betreibe und Mitarbeiter aufnehme. Ich entschied mich für NATURAL CRUNCHY und an dieser Entscheidung änderte sich auch nichts als wir erfuhren, dass wir noch ein Baby erwarten. 

Wie vereinbaren Sie Familienleben und Job? Welchen Rat haben Sie diesbezüglich für Frauen?

Jede Familie und jede Frau hat andere Bedürfnisse. Aber wenn eine Frau erzählt, dass alles möglich sei und frau leicht alles unter einem Hut bekommt, dann lügt sie oder hat ein Arsenal an Helferlein. Die Betreuung von Kindern, vor allem von Babys, ist kräfteraubend und zeitintensiv. Vom Haushalt ganz zu schweigen.

In Wahrheit ist das extrem anstrengend und geht mit viel schlechtem Gewissen einher. Freizeit gibt es nicht! Wenn frau alles unter Hut bekommen will, muss sie sich Hilfe holen. Meine Mutter ist seit drei Jahren in Pension und hilft im Haushalt und bei den Kindern mit. Und auch mein Mann war großartig, denn er ging für ein Jahr in Karenz. Wir richteten ein Kinderzimmer im Büro ein und ich konnte so mein Baby im ersten Jahr stillen. Er war mit unserer Tochter einfach in meiner Nähe.

Auch Ihr Mann ist eine wesentliche Säule des Unternehmens. Wie klappt die Zusammenarbeit als Ehepaar?

Grundsätzlich gut, weil er sich in Bereichen einbringt, von denen ich nur wenig Ahnung habe, wie Informatik, oder die mit Zahlen zu tun haben, wie Steuer. Wenn wir zur Steuerberatung gehen, blüht er so richtig auf. Für mich ist das Thema dagegen wie Kryptonit für Superman, es zieht mir die Energie aus dem Leib.

Sie sind Ausdauersportlerin – haben Sie aus diesem Bereich etwas für den Joballtag mitnehmen können?

Ich schwimme für mein Leben gern und trete im Sommer bei Openwater Wettbewerben an. Da geht es um 5.000 Meter oder mehr. Dafür braucht man Stehvermögen und muss sich mental auf die Herausforderung einstellen.

Das Gleiche gilt im Lebensmittelsektor. Die Durchschnittszeit zwischen dem ersten Vorstellungstermin eines Produkts und bis dieses Produkt endlich im Laden steht, beträgt 12 bis 18 Monate. Also auch hier braucht man einen langen Atem und muss sich vielen Herausforderungen stellen.

Wie beschreiben Sie Ihren Arbeitsstil?

Ich würde gern behaupten, strukturiert zu arbeiten, aber das wäre gelogen. Ich schreibe mir meine wichtigsten Ziele auf die Pinnwand, um sie zu visualisieren, und erstelle mir To-Do-Listen mit Erinnerungen im Kalender. Aber ich hechele oft hinterher und agiere nicht so intensiv, wie ich es möchte. 

Sie haben sich ganz der Entwicklung gesunder Snacks verschrieben – wie kamen Sie auf die Idee?

Obwohl mein Mann und ich viel Sport treiben und uns gesund ernähren, wollen wir zu einem guten Film oder einer Sport-Übertragung knabbern. Ich wollte Snacks haben, die kein Junkfood sind, sondern Funktional-Food. Also Snacks, die unserem Körper gute Nährstoffe, Mineralien und wertvolle Proteine zuführen.

In welchen Bereichen sehen Sie für Start-Ups die größten Hürden? Womit hat/hatte Ihr Unternehmen zu kämpfen?

Wir haben verschiedene Herausforderungen. Erstens sind die Herstellungskosten für Bio-Produkte aus Hülsenfrüchten wesentlich teurer, als vergleichbaren Produkte aus Mais, Weizen oder Kartoffel. Das wissen die Konsumenten aber nicht und wollen den höheren Preis nicht unbedingt bezahlen.

Zweitens nehmen die Supermarktketten nur Produkte auf, die entweder schon sehr bekannt sind und funktionieren, oder ein hohes Marketingbudget zur Einführung der Produkte vorweisen. Wir reden hier von 200.000 Euro aufwärts mit Inseratsvolumen, 16-Bogenplakaten, TV-Spots und Social Media Budget. Da wir weder bekannt sind noch ein großes Werbebudget haben, sind Listungen sehr schwierig.

Drittens können wir uns nicht so viele Mitarbeiter leisten, wie wir brauchen. Die Nebenkosten für Mitarbeiter ist hierzulande am teuersten in Europa und das ist nicht besonders arbeitsmarktfördernd. 

Abschließend dürfen wir um einen Tipp für all jene Leserinnen ersuchen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen möchten?

Mein Lieblingsmotto lautet: „Fragen kostet nix“. Daher fragt einfach andere nach Rat, nach Hilfe, nach Unterstützung und fangt an, eure Idee voranzutreiben. Lieber scheitern, als gar nicht versuchen. Denn wollen wir unseren Kindern später erzählen, ich habe mich fast selbständig gemacht? Oder ich hatte eine Idee, war aber zu unsicher, diese zu verwirklichen? Nein, wir wollen, dass unsere Kinder an sich glauben und das geht nur mit positiven Beispielen von uns selbst.

Foto: PULS 4/Gerry Frank