EU-Spezial: Teresa Reiter, NEOS: Die Brücke zwischen Lebenswelten

Teresa Reiter war Journalistin. Heute ist sie Fachreferentin für Außenpolitik, EU, Landesverteidigung, Migration und Entwicklungszusammenarbeit im NEOS-Parlamentsklub. 

 

Teresa Reiter spricht sich sehr offen für die Europäische Union aus: „Die Europäische Union ist die beste Idee, die wir je hatten. Ich kandidiere, weil ich der Meinung bin, dass es fahrlässig wäre, in Zeiten, in denen Populisten mit voller Absicht das Vertrauen in die Europäische Union zu zerstören, nicht für Europa aufzustehen. Wir Pro-Europäerinnen haben eine Verantwortung, uns für das gute Leben in Europa einzusetzen und das kann es nur mit der EU geben.“

In diesem Sinne sieht sie die niederschwellige Vermittlung von Europapolitik an Bürger und Bürgerinnen als eine der größten Herausforderungen für die EU. „Ich beschäftige mich viel mit der verständlichen Aufbereitung unserer Inhalte und mir sind Dinge in der Politik oft zu hochgestochen oder dampfplauderisch formuliert. Je komplizierter wir über die EU reden, desto mehr werden wir von politischen Unholden ausgebremst, die banal und ohne Rücksicht auf Verluste bei der Sachlichkeit kommunizieren. Das muss aufhören.“

Die nationalstaatliche Zersplitterung

Außen- und Verteidigungspolitik – das sind die beiden Themen, mit denen sie sich als Fachreferentin für ebenjene Bereiche am meisten beschäftigt. „Nur eine einige, einheitliche Außenpolitik Europas kann auch tatsächlich effektiv zum Bewerben der europäischen Interessen und Standards beitragen. Es kann nicht sein, dass Federica Mogherini eine europäische Position zu  etwas äußert und sich Minuten später vier nationalstaatliche Außenminister mit einer Gegenmeinung melden.

Diese Vorgangsweise schwächt Europa und sorgt auch dafür, dass wir außenpolitisch — etwa beim Verhandeln von Rückführungsabkommen für Personen mit negativem Asylbescheid — erfolglos bleiben. Auch unser Auftreten gegenüber eher schwierigen und unverlässlichen Partnern wie Russland oder der Türkei ist aufgrund der nationalstaatlichen Zersplitterung in Europa von diesen schwer ernst zu nehmen.“ Dieses Problem sieht Reiter auch als eine Gefahr für die europäische Sicherheit: „In der Verteidigungspolitik sind wir gegenwärtig in einer Situation, in der viele Mitgliedstaaten eindeutig zu wenig finanzielle Mittel ausgeben, um selbst verteidigungsfähig zu sein. Sinnvoll wäre also ein Zusammenlegen der Mittel, gemeinsame Beschaffung von schweren Waffensystemen wie Flugzeuge und Panzer, um Kosten zu sparen und eine bessere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu vereinfachen, um letztlich den Schritt zur Europäischen Armee leichter machen zu können.“

Brücke zwischen den Lebenswelten

Wenn es um den Kontakt zu potenziellen Wählern und Wählerinnen geht ist Teresa Reiter der Meinung, dass es keine Möglichkeit gibt, dem überhaupt zu entkommen. „Jeder Mensch mit dem ich tagtäglich rede, von der Trafikantin, bei der ich meine Zeitung hole, bis zu Leuten, die an unsere Wahlkampfstände kommen, ist Gesprächspartner und -partnerin. In der Politik sollte es ja nicht nur darum gehen, dass die einen gewinnen und die anderen verlieren, sondern dass wir uns als Gesellschaft gemeinsam Problematiken annehmen, die unser Leben betreffen.

Ich habe eine Mailadresse und eine Telefondurchwahl, die regelmäßig genutzt werden, wenn es Fragen oder Anregungen zur Arbeit von NEOS gibt. Das freut mich immer sehr und ist auch eine guter Reality Check, ob das, was wir in Anträge schreiben, noch dem entspricht, was sich andere Leute unter unserem Dienst an der Bevölkerung vorstellen.“ Sie selbst habe auch einen Vorteil bezüglich ihrer Erreichbarkeit für Bürger und Bürgerinnen. „Ich habe mich immer als gute Brücke zwischen verschiedenen Lebenswelten betrachtet.

Ich komme aus relativ einfachen Verhältnissen, hatte aber viel Glück und Ehrgeiz und bin so in Kreise gelangt, von denen ich als Jugendliche nicht zu träumen gewagt hätte. Ich spreche also sozial betrachtet mehrere Sprachen. Das ist mir in meinem vorigen Job als Journalistin schon zugutegekommen und das möchte ich auch jetzt nutzen.“

Mit diesem Kommunikationsproblem zwischen Lebensbereichen erklärt sie sich auch die geringe Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl im Jahre 2014. „Ich glaube, dass tatsächlich vielen Menschen nicht ganz klar ist, was da genau gewählt wird und wie es sich auf uns auswirkt. Bei einer so großen Organisation wie dem Europäischen Parlament kann man leicht das Gefühl haben, dass die eigene Stimme ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Wir brauchen mehr politische Bildung, ganz besonders auch für Erwachsene. Ich setze mich daher für den Ausbau von Angeboten im Bereich der politischen Erwachsenenbildung ein.“

Chancen für unsere Nachbarschaft

Mit ihren zahlreichen Auslandsaufenthalten hat Teresa Reiter sich auch außerhalb Österreich Heimaten geschaffen. „Herz irgendwo am Westbalkan“, lässt sich auch in ihrer Twitter-Bio lesen. Es passt also, dass sie sich für Entwicklungszusammenarbeit einsetzt. „Mein Herzensthema ist das Schaffen von Chancen und Zukunftsperspektiven für unsere Nachbarinnen und Nachbarn in den Westbalkanstaaten.

Ich habe mich vor einigen Jahren sehr in die Region verliebt und investiere viele Stunden meiner Zeit dahingehend, zu vermitteln, dass das nicht irgendwo ganz weit weg ist und uns nichts angeht, wie es den Leuten dort geht, sondern uns unmittelbar betrifft. Ich will nicht, dass vor den Toren der Union eine ganze Generation aufwächst, die sich ihre Träume von einem besseren Leben aufzeichnen kann, nur weil sich keiner für sie interessiert. Der Westbalkan ist unsere unmittelbare Nachbarschaft. Er ist wunderschön und von herzlichen und wunderbaren Menschen bewohnt, die Europäer sind. So sollten wir sie auch behandeln und das werde ich noch millionenfach sagen, wenn es dazu beiträgt, dass der eine oder die andere dann doch ein positiveres Bild von dieser Nachbarschaft bekommt.“

Umgekehrt ist es ihr auch wichtig, dass sie selbst ein unverfälschtes Bild zeigt. „Mein Beitrag zur österreichischen und europäischen Politik wird in der Art immer aufrichtig und geradlinig sein. Bei mir bekommen Sie genau das, was Sie sehen. Und wenn ich etwas für einen Blödsinn halte, werden Sie es auch merken.“

Viel mehr Frauen müssen sich das antun

„Den Respekt für die Arbeit von Frauen müssen Frauen und Männer gleichermaßen jeden Tag von Kollegen einfordern. Gerade in der Politik ist das wichtig. Ich habe Kolleginnen, deren Zuschriften von Bürgerinnen und Bürger zu einem großen Teil aus Kommentaren zu ihrem Aussehen, ihrer Kleidung, ihrem Gewicht oder ihren Brüsten bestehen. Das darf man niemandem durchgehen lassen.“ So gehe es aber nicht nur Politikerinnen. „Jeder Job, bei dem Frauen in der Öffentlichkeit stehen, kommt mit einer Unzahl an grauslichen Zuschriften, Zurufen und anderen jenseitigen Wortmeldungen.

Das habe ich im Journalismus schon erlebt, wo das bis zur Todesdrohung geht und das häufiger als bei männlichen Kollegen. Der Job in der Politik ist generell ein eher belastender, weil eben viel Verantwortung dran hängt, weil man viele Arbeitsstunden hat, weil man den ganzen Tag mit sehr vielen Menschen redet, in langen Ausschuss- und Parlamentssitzungen sitzt.

Das ist für die meisten ein Knochenjob. Und wenn man dann noch ein Mail kriegt, in dem steht, man sei eh zu hässlich für die Politik und habe eine hysterische Stimme, dann verstehe ich schon, dass Frauen sich fragen: Warum tu ich mir das an? Gerade deshalb müssen viel mehr Frauen sich das antun. Erst wenn Frauen in allen politischen Positionen angemessen repräsentiert sind, wird es als normal wahrgenommen werden und Dinge werden sich bessern. Dahin ist es aber noch ein langer Weg.“

Foto: Peter Draxl